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Pelte, Reinhard

Pelte, Reinhard

Titel: Pelte, Reinhard
Autoren: Inselbeichte
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Problem, wenn du herausbekommst, wie viele Jahre genau du verheiratest bist, und wann der Hochzeitstermin war. Dann schenkst du ihr zum Hochzeitstag einen großen Strauß Blumen.«
    »Das soll klappen?«
    »Nur, wenn der Blumenstrauß ein wirkliches Kunstwerk ist und mehr als 100 Euro kostet.«
    »Du willst mich doch nicht verarschen, Tomi, oder?« Boll begann langsam, sich aus seiner Düsternis zu lösen und in der Ferne eine lichte Quelle ungetrübter Heiterkeit auszumachen.
    »Nichts läge mir ferner, Klaus. Du kannst mir glauben.«
    Boll prostete Jung ermutigt zu, und sie tranken einen kräftigen Schluck des herrlichen Rotweins.
     
    *
     
    Als Jung aufbrach, war es draußen stockdunkel geworden. Das unwirtliche Wetter ließ Boll an der Haustür stehen bleiben, sie verabschiedeten sich hastig, um die Kälte nicht ins Haus zu lassen. Jung fröstelte, als er das Auto aufgeschlossen hatte und sich auf den kalten Fahrersitz setzte. Er fuhr die Auffahrt hinunter und bog auf die Straße nach Bockholm ein. Er drehte die Sitzheizung an. In Glücksburg hatte er einen warmen Hintern und Rücken. Seine Frau hatte ihm kürzlich erzählt, dass Sitzheizungen Männer impotent machen. Dabei hatte sie eine plausible Begründung geliefert, an die sich Jung allerdings nicht mehr erinnerte. Es war ihm egal. Ein warmer Hintern tat bei dieser Witterung einfach gut. Und Kinder wollte er ohnehin nicht mehr zeugen. Dennoch drehte er die Heizstufe von vier auf eins zurück, als er in Flensburg den ZOB passierte.

Der Ausflug
    Jung startete am nächsten Morgen zu seinem Arbeitsausflug nach Nordfriesland. Er hatte sich über die Örtlichkeiten auf der Karte informiert. Für Husum hatte er sich die Mühe erspart. Die Stadt kannte er aus seinen Jugendjahren mehr als gut. Aber von den umliegenden, kleinen Dörfern hatte er vorher nie, oder nicht viel gehört. Warum auch? Das Leben ging dort seinen unauffälligen Gang, und erst ein Verbrechen zerstörte die scheinbare Ruhe und rückte es vorübergehend in den Fokus öffentlicher Neugier. Danach sank das Landleben in den gewohnten Schlaf zurück. Jedoch hinterlässt ein Verbrechen, ob nun unaufgeklärt oder aufgeklärt, Narben, da hatte Boll recht, und Jung wollte sie sich ansehen.
    Das Wetter hatte sich nicht geändert. Als er kurz vor Husum von der B 200 auf das platte Land abbog, war er auf seinem Weg außer grauer, trüber Langweiligkeit nur einigen Milchlastern begegnet, die ihn in seiner dösigen Fahrt aufgehalten hatten.
    Das Gehöft, auf dem die Familie des verschwundenen Mädchens lebte, lag einsam, etwas abgesetzt von der Kreisstraße und außer Sichtweite des nahen Dorfes. Es war ein friesisches Bauernhaus aus rotem Backstein und mit typischem Friesengiebel, stattlich aber nicht mehr unverfälscht. Eine große Scheune war über einen flachen Zwischenbau mit dem Haupthaus verbunden. In das Mauerwerk war aus geschmiedetem Eisen die Zahl 1909 eingelassen. Die Scheune musste aber in der Neuzeit renoviert worden sein. Die Profilbleche, mit denen Dach und Giebel eingedeckt und verkleidet waren, zeugten davon.
    Auch das Haupthaus hatte eine gravierende Veränderung erfahren. Der Eingang lag nicht wie üblich an der Frontwand, unter dem Friesengiebel, sondern war aus der Seitenwand nachträglich herausgestemmt worden. Der Zutritt zum Haus war jetzt durch eine zweiflügelige, schwere Tür geschützt. Vor den Eingang hatte man einen in Weiß und Lindgrün getünchten Vorbau gesetzt, dessen prunkvoll geschwungenes Dach auf weißen, griechischen Säulen ruhte. Darüber, in der ersten Etage, leuchteten weiße, große Rundbogenfenster mit falschen Sprossen. Das Ganze machte den Eindruck eines kleinen aber protzigen Vestibüls. Jung fragte sich, wer auf diese böse Geschmacklosigkeit gekommen war.
    Vor dem Hauseingang und der Scheune, deren Nebentor zu einem Hofladen führte, lag ein geräumiger Hofplatz. Die Auffahrt von der Kreisstraße war mit Kopfsteinen gepflastert, und die kreisrunde Kehre führte vor den protzigen Eingang des Haupthauses.
    Er stellte sein Auto auf dem Hofplatz ab. Es war weit und breit das einzige Fahrzeug. Jung überkam in der grauen Kälte ein beklemmendes Gefühl. Ihn überfielen Bilder aus dem Film ›Psycho‹, den er in seinen jungen Jahren im Kino gesehen hatte. Anthony Perkins schlich in trüber Dunkelheit den Steig zum Haus seiner Mutter hinauf. Dunkel war es hier nicht, aber die Atmosphäre war von dem gleichen, stummen Grauen erfüllt.
    Er trat in den Vorbau und
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