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Pelte, Reinhard

Pelte, Reinhard

Titel: Pelte, Reinhard
Autoren: Inselbeichte
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geträumt, oder was?«
    »Das Mädchen hat euch gesehen. Weißt du, was das bedeutet?«
    »Wer hat was gesehen? Sag mal, spinnst du?«
    »Die Kleine hat euch belauscht und einen hysterischen Anfall gekriegt.« Er schlug die Hände vors Gesicht und fing an zu schluchzen.
    »Jetzt reicht es aber. Der Süße hat mir sein neues Gedicht vorgelesen. Das machte uns glücklich und wir waren ein bisschen zärtlich. Niemand hat uns belauscht, schon gar nicht gesehen.«
    »Und warum hat sie dann einen Schock gekriegt, der sie umgebracht hat?«
    »Sag mal, was faselst du denn da? Wer ist umgebracht worden?«
    »Die Kleine. Sie ist tot.«
    »Was? Wo? Wo ist sie?«
    »Hinten im Wagen, unter der Plane.«
    Sein Freund sah ihm gerade in die Augen. Ein plötzlicher Ernst befiel ihn und breitete sich auf seinem Gesicht aus. Ihm dämmerte etwas, das er lieber nicht hätte wissen wollen. Er stieg aus der Fahrerkabine und lief nach hinten. Dort öffnete er die Hecktür und hob die grüne Plane an. Abrupt ließ er sie wieder fallen, schloss die Tür und rannte zurück nach vorn. Lange Zeit saß er in sich gekehrt da und überlegte. Irgendwann startete er den Wagen und fuhr vom Hof auf die nächste Zufahrt zur B 5. Er schwieg. Ab und zu sah er zu ihm hinüber. Seine Blicke enthielten Zweifel und Skepsis. Schließlich sagte er: »Schöne Scheiße, Herr Pastor. Was willst du nun tun? Hast du bei deinem Gott schon um eine Lösung angefragt?«
    »Wie meinst du das?« Sein Entsetzen weitete seine Augen.
    »Du hast ein totes Mädchen am Hals. Wie willst du es loswerden? Willst du der Polizei erklären, sie wäre beim Anblick von zwei Schwulen vor Schreck mitsamt ihrem Fahrrad in dein Auto geflogen und dann gestorben?«
    »Wieso mein Auto?«
    »Weil es dein Auto ist, solange die Kleine da noch drin ist. Hast du mich verstanden?«
    »Was soll das denn heißen?«
    »Das heißt, du musst dir was einfallen lassen. Und zwar so, dass nicht herauskommt, dass du auch dazugehörst. Ein schwuler Pastor, das geht doch nicht auf eurer netten Familieninsel, oder?«
    Ein Beben überfiel ihn und ließ ihn zittern.
    »Ich fahre jetzt zurück nach Husum«, fuhr er fort, »lade das Gemüse und Fleisch aus und mache mich an die Arbeit. Morgen früh steht das Auto auf meinem Hof, ohne Leiche und Fahrrad. Hast du mich verstanden?«
    Er schwieg einen Moment und fragte kurz darauf leise: »Warum hast du mich überhaupt mit hierhergenommen, Immo?« Ihn hatte eine Lethargie erfasst, die alles, auch alle Zumutungen und alle Enttäuschungen, an ihm vorüberziehen ließ. Ihn erreichte nichts mehr.
    »Warum wolltest du denn mitkommen? Du wolltest doch deine geilen Blicke auf den süßen Kleinen werfen. Auf deiner Insel gibt es doch so einen wie ihn gar nicht. Und falls doch, darfst du ihn nicht anschauen. Selbst der Blödeste würde sehen, an welchem Ufer du stehst. Das läuft so nicht, Hochwürden.«
    Ein endgültiges bedrohliches Schweigen breitete sich zwischen ihnen aus. Es dauerte an, bis sie in Husum vor Immos Hotel anhielten. Immo stieg aus, schob die Seitentür auf und trug die Kisten mit Fleisch und Gemüse weg. Er kam noch einmal zurück und schob die Tür zurück ins Schloss.
    »Ich gebe dir zum Abschied einen guten Rat, Udo. Verschwinde so schnell du kannst auf deine Insel, wo die Nordsee lächelt. Und morgen früh steht der Wagen wieder hier, genau an dieser Stelle, ohne Leiche, ohne Fahrrad und mit dem Zündschlüssel im Schloss. Verstanden?« Er sah ihm beschwörend in die Augen.
    »Hast du das verstanden, Udo?«, fragte er noch einmal leise aber eindringlich. Udo nickte und wechselte auf den Fahrersitz.
     
     
    E N D E
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