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Pecorino und die Kunst des Pilgerns - ein Hund geht den Franziskusweg

Pecorino und die Kunst des Pilgerns - ein Hund geht den Franziskusweg

Titel: Pecorino und die Kunst des Pilgerns - ein Hund geht den Franziskusweg
Autoren: Residenz , Claudio Honsal
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Signora Marisa Raggi wird ein geradezu fürsorglicher Umgang mit Pilgern nachgesagt. Euphorisch beginnt
la signora
uns zu begrüßen und mich zu streicheln. Wo wir herkommen, wie es uns gefalle und natürlich, was wir essen wollen, will sie wissen. „Qualcosa di semplice!“, tönt es zurückhaltend aus Herrchens Mund. Etwas Einfaches, Pilgergerechtes eben, das unser Budget nicht überstrapaziert. Man muss ja nicht übertreiben. Nicht überall in Italien versteht man unter
qualcosa di semplice
einen riesigen, ersten Teller feinster Tagliatelle, über und über vollgeraspelt mit schwarzem Trüffel. In Wiener Szenerestaurants würde man dafür ein kleines Vermögen ablegen.
Insalata mista, Tagliata di Manzo
und eine Variation von
dolci
samt Espresso folgten. Der Preis entpuppte sich als seligmachendes Entgegenkommen für jede Pilgerbörse. Dem Vierbeiner ist das zwar wurscht, aber selbst für ganz normale Hunde hat man hier feinste Wassernäpfe aus robustem Porzellan und einen Teller mit den Albergo-Initialen bereitgestellt. Schmatz, da fühlt man sich selbst unter dem Tisch beinahe wie ein Mensch. Sehr edel.
    Für mich gibt’s vorerst einmal Dosenfutter. Noch haben wir ja welches. Die 18 Kilogramm, die mein Herrchen seit unserer Abreise in seinem Rucksack am Buckel mitträgt, bestehen nämlich auch aus meinem Futter. Zum geringsten Teil, sei angemerkt, also übergroßes Mitleid ist nicht angebracht. Insgesamt sechs Plastikdöschen zu je 400 Gramm für einen „Happy Dog“, wie der Name meines wohlschmeckenden Lieblingsfutters verspricht. Mir schmeckt’s, obwohl mich mein Herrchen, was meine Fressmanieren anlangt, als „Franzosen“ bezeichnet. Was er damit meint: Ganz im Gegensatz zu anderen Hunden bin ich ein Genießer. Ich überlege sehr wohl, was, wann und wie lange ich fresse. Angeblich soll ich stundenlang um meinen Fressnapf herumschleichen und dabei immer wieder nur kleine Bissen zu mir nehmen. Andere Hunde, das musste ich schon zu oft in meinem eigenen Revier erleben, schlingen. Sie schlingen ohne Rücksicht auf die Geschmacksrichtung oder die Menge der Nahrung. Für mich ein Gräuel. Verabscheuungswürdig empfinde ich auch Trockenfutter. Das darin gedörrte Fleisch schmeckt nicht, es staubt. Ich bin doch kein Gourmand, sondern ein Gourmet. Dabei würde ich mich selbst nicht unbedingt als „Franzosen“ bezeichnen, sondern vielmehr als das, was ich bin: ein Italiener mit gutem Geschmack. Vielleicht mag es aber auch daran liegen, dass meine frühen Jahre von Pasta in jeglicher Zubereitungsform geprägt waren. Teigwaren habe ich immer geliebt und liebe ich heute noch. Für Pasta überlasse ich selbst Fleisch gerne den anderen. Alles in Maßen. Mehr als ein 400-Gramm-Döschen am Tag empfinde ich als Verschwendung und unnötige Belastung. Ich bin ein bescheidener Hund. Unser Vorrat reicht demnach für die ersten sechs Tage. Auch gut so, denn selbst hier im kleinen, aber gut sortierten Supermarkt von Portico hätten wir am Sonntag kein Glück. Für jeden Wanderer oder Pilger mit Hund sei daher empfohlen, eine gewisse Menge an Futtervorrat mitzuschleppen. 1800 Gramm bei einem Gesamtgewicht von 18.000 machen das Kraut oder im gegebenen Fall den Rucksack auch nicht mehr fetter. Es ist ja schließlich für des Menschen besten Freund.
    Normalerweise wird am Abend gefressen; auf Wanderschaft gibt es schon mal eine Ausnahme, sogar was die Menge anlangt. Da darf es dann auch mal der Rest der Pasta sein. Herrchen erzählt immer, dass er mir gleichermaßen als Belohnung für vollbrachte Leistungen ab und an ein schönes Steak mitbringt. Falls er mein natürliches Talent als Fotomodell als außerordentliche Leistung definiert, muss ich abwinken. Kaufen lasse ich mich nicht. Ich habe es auch immer abgelehnt, wie andere Hunde für Frolic oder Hundestangerl Künststücke zu vollführen oder zu gehorchen. Entweder ich mache etwas oder ich mache es nicht. Entweder ich komme oder ich bleibe weg. Bezeichnend dafür ist auch eine Szene, die sich ganz am Anfang meiner Fotokarriere auf der Ponte Vecchio in Florenz zugetragen hat: Nur weil ich ein gutes Foto abgeliefert hatte, sollte ich als Belohnung mit einer fetten Mortadella gemästet werden. Nett gemeint, aber ich hasse Mortadella. Zu viel Gewürz, zu viele Pfefferkörner, zu fett – selbst für einen Italiener. Und ich hatte ja schon gefressen. So ist es eben, wenn ein Hund nicht um sein Fressen kämpfen muss. Wenn ich zwischendurch Appetit bekomme, hilft es auch, sich mit
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