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Pecorino und die Kunst des Pilgerns - ein Hund geht den Franziskusweg

Pecorino und die Kunst des Pilgerns - ein Hund geht den Franziskusweg

Titel: Pecorino und die Kunst des Pilgerns - ein Hund geht den Franziskusweg
Autoren: Residenz , Claudio Honsal
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unsere düstere Unterkunft. Auf dem Weg ins alte Zentrum ist gut ersichtlich, dass der Kern von Gubbio lediglich aus fünf parallelen Straßen besteht, die in den Hügel terrassenförmig geradezu hineingeschlagen wurden. Vertikal werden diese Hauptstraßen durch zahllose kleine Gässchen und Treppenwege miteinander verbunden. Vorbei am Palazzo dei Consoli – natürlich ein Foto –, über die Piazza Grande – klick –, zur Piazza della Signora – klick – und schließlich noch eine Terrasse höher ein Foto vor dem Duomo aus dem 13. Jahrhundert. Die Stadt ist voll, die Abendsonne kräftig, die Auf- und Abstiege sind heftig. In den Schaufenstern der kleinen Geschäfte wird man alternierend mit Trüffelprodukten und Devotionalien des heiligen Franziskus konfrontiert.
    Vor der Kirche San Giovanni kommt es wieder einmal zum Foto-Act der ganz besonderen Art: Herrchen will unbedingt, dass ich auf einen Baum vor der Basilika klettere. Das Licht sei so traumhaft und das Grün der Blätter und dann noch im Hintergrund diese schöne Kirche. Bin ich denn eine Katze? Man hievt mich ins Geäst. Passanten ahnen Schlimmes, können aber dennoch nicht davon ablassen, das eigenartige Schauspiel vom Hund im Baum für die Lieben zu Hause festzuhalten. Eine passable Menschenmenge hat sich versammelt. Es klickt und klickt am Vorplatz der Kirche. Heil wieder am Boden gelandet, bekomme ich diesmal sogar ein Hundestangerl als Belohnung. Nicht viel für einen Hochseilakt zwei Meter über dem heiligen Boden!
    Endlich sind wir über einen anstrengenden Umweg dort angelangt, wo wir seit zwei Stunden hin wollten. Die Chiesa di San Francesco baut sich in schlichter Architektur, aber gewaltig vor uns auf. Die Kirche wurde auf den Grundmauern jenes Lagerhauses gebaut, das Federico Spadalungo, einem guten Freund des Heiligen gehörte. Hierher kam Franziskus, nachdem er sich von seinem Vater und dessen Reichtum losgesagt hatte. Bekleidet war er nur mit einem weißen Leinentuch. Noch interessanter für mich ist allerdings das überdimensionale Bronzedenkmal rechts neben der Chiesa. Es schildert eines der bekanntesten und zugleich legendären Erlebnisse des heiligen Franziskus. Eine Begebenheit, die nicht nur mich persönlich begeistert, sondern wegweisend für die Menschen sein sollte im Umgang mit uns Vierbeinern und für das Verständnis der eigenen Gattung: die Begegnung des Franziskus mit dem Wolf. Was den Autor sogleich dazu veranlasste – zum besseren Verständnis und zur Einstimmung auf das unverzichtbare Fotoshooting –, die komplette Geschichte zum Besten zu geben. Der Wolf von Gubbio, erzählt nach den Fioretti (Nr. 21), einer Legendensammlung aus dem 14. Jahrhundert:
    Etwas Wunderbares, was des rühmenden Andenkens würdig ist, geschah bei der Stadt Gubbio. Da gab es nämlich zu Lebzeiten des seligen Vaters Franz in der Umgebung der Stadt einen Wolf von schrecklicher Größe. In seinem Hunger war er von grimmiger Wildheit und verschlang nicht nur Tiere, sondern auch Männer und Frauen, sodass sich niemand mehr getraute, unbewaffnet die Stadtmauern zu verlassen. Eine solche Panik hatte alle befallen, dass sich trotz der Waffen kaum einer sicher fühlte, wenn er über das Weichbild der Stadt hinausgehen musste. Der selige Franz, der gerade nach Gubbio kam, empfand Mitleid mit den Leuten und beschloss, dem Wolf entgegenzutreten. Die Bürger sprachen zu ihm: „Hüte dich, Bruder Franz, über das Stadttor hinauszugehen: Der Wolf, der schon viele gefressen hat, wird dich jämmerlich töten.“ Der heilige Franz aber setzte seine Hoffnung auf den Herrn Jesus Christus, und so schritt er, nicht mit Schild und Helm gewappnet, sondern unter dem Schutze des heiligen Kreuzzeichens, mit einem Gefährten vor das Stadttor und ging ohne Furcht dem Wolf entgegen. Und siehe, angesichts der vielen Menschen, die von erhöhten Orten aus zuschauten, rannte der schreckliche Wolf mit offenem Rachen auf den heiligen Franz und seinen Gefährten zu. Der selige Vater aber machte über diesen das Zeichen des Kreuzes, und die göttliche Kraft, die von ihm wie von dem Gefährten ausging, zähmte den Wolf. Franz rief ihn her und sprach: „Komm zu mir, Bruder Wolf! Im Namen Christi befehle ich dir, weder mir noch sonst jemandem einen Harm zu tun!“ Und wunderbar, auf das Kreuzzeichen hin schloss das Untier den wilden Rachen, und wie der Heilige ihm geboten, kam es gesenkten Kopfes heran und legte sich gleich einem Lamm zu seinen Füßen.
    Wie er so vor ihm dalag,
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