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Pecorino und die Kunst des Pilgerns - ein Hund geht den Franziskusweg

Pecorino und die Kunst des Pilgerns - ein Hund geht den Franziskusweg

Titel: Pecorino und die Kunst des Pilgerns - ein Hund geht den Franziskusweg
Autoren: Residenz , Claudio Honsal
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sprach der heilige Franz: „Bruder Wolf, du richtest viel Schaden in dieser Gegend an und hast schlimme Übeltaten verbrochen, da du Gottes Geschöpfe erbarmungslos umgebracht hast. Und nicht nur Tiere tötest du, sondern, was noch schlimmer ist, du wagst es, Menschen, nach Gottes Bilde geschaffen, umzubringen und zu verschlingen! Darum verdienst du, dass man dich als Räuber und bösen Mörder einem schrecklichen Tod überliefert. Alle klagen mit Recht über dich und sind dir böse, und die ganze Gegend ist dir Feind. Aber jetzt, Bruder Wolf, will ich zwischen dir und den Leuten Frieden stiften. Es darf keinem mehr ein Leid von dir geschehen, und sie sollen dir alle vergangenen Missetaten erlassen, und weder Menschen noch Hunde sollen dich weiter verfolgen.“ Da gab der Wolf zu erkennen, dass er auf den Vorschlag einging, worauf der Heilige mit seiner Rede fortfuhr: „Weil du damit einverstanden bist, diesen Frieden zu schließen, verspreche ich dir: Ich will dir, solange du lebst, durch die Leute dieser Gegend deine tägliche Kost verschaffen. Du wirst keinen Hunger mehr leiden müssen; denn ich weiß sehr wohl, du tust alles Schlimme nur vom Hunger getrieben. Aber du musst mir versprechen, dass du nie wieder einem Tier oder Menschen ein Leid zufügst. Versprichst du das?“ Der Wolf gab durch Kopfnicken deutlich zu erkennen, dass er einverstanden sei, und legte dem heiligen Franz zum Zeichen seiner Treue seine Tatze in die Hand.
    Zuletzt sprach der Heilige: „Bruder Wolf, nun komm ohne Bangen mit mir zu den Häusern der Menschen, damit wir im Namen des Herrn diesen Frieden besiegeln!“ Und der Wolf gehorchte und folgte dem heiligen Franz gleich einem sanften Lamme. Wie das die Leute sahen, waren sie aufs Höchste verwundert und liefen alle, Männer und Frauen, Groß und Klein, auf dem Marktplatz zusammen, wo sich der Heilige mit dem Wolf befand. Vor der Menge des Volkes sagte der heilige Franz: „Höret denn, meine Lieben, dieser Bruder Wolf, der vor euch steht, hat mir versprochen, dass er Frieden mit euch schließen will. Niemandem von euch wird er ein Leid tun, sofern ihr ihm versprecht, für seinen täglichen Unterhalt aufzukommen. Ich verbürge mich für Bruder Wolf, dass er den Friedensvertrag getreulich achten wird.“ Da versprachen alle Versammelten mit lautem Zuruf, sie wollten fortan den Wolf ernähren. Und der Wolf lebte noch einige Jahre und ließ sich von Tür zu Tür die Nahrung geben, ohne jemandem ein Leid zu tun; und auch die Leute taten ihm nichts und fütterten ihn freundlich. Und sonderbar, nie bellte ein Hund gegen ihn. – Zu Lob und Ehren des Herrn Jesus Christus.
    Mag schon sein, dass es sich nur um eine Legende handelt, obwohl doch in der Chiesetta dei Muratori in einem kleinen Schrein die Gebeine jenes Wolfes, des berühmtesten Bürgers der Stadt, aufbewahrt werden. Acht Jahrhunderte nach dieser beeindruckenden Parabel über Gewaltlosigkeit und gemeinschaftliches Miteinander – Basis und Wesen der franziskanischen Friedensarbeit – macht sich die Welt und jeder Einzelne von uns leider nur noch selten Gedanken über die weisen Worte des Heiligen. Der
canis lupus
hat wieder seinen Schafspelz angelegt. Die Krisen-, Kriegs- und Hungergebiete dieser Welt sind nicht weniger geworden, und in Rathäusern und Parlamenten diskutiert man über „Hundeführscheine“. Vielleicht sollte man ab und zu wieder etwas tiefer in sich hineinhören und auch das registrieren, was wir Tiere euch Menschen vermitteln wollen. Was uns alle verbindet und dass wir nur gemeinsam überleben können auf diesem schönen, geschundenen Gottesplaneten.
    Ich hoffe, mit meinen Fotos am Monument des Franziskus mit dem Wolf einen kleinen Denkanstoß geben zu können. Jedenfalls fühle ich mich sehr geehrt, meine Pfote neben die mächtige Tatze meines Vorfahren auf das Knie unseres Schutzpatrons, der nicht nur ein Hunde- und Wölfeversteher war, legen zu dürfen.
    Nun ist es aber wirklich Zeit für das Treffen mit Luigi und das ersehnte Abendessen. Herrchens Freund und seine Frau Monica erwarten uns schon auf der Terrasse des Ristorante All’ Antico Frantoio, einem bekannten Gourmettempel der Stadt. Die bunten Sonnenschirme mit den fetten Werbelettern täuschen; spätestens beim Blick in die Speisekarte beginnt das Herz eines jeden Feinschmeckers zu lachen.
Tartufi
in allen Variationen und, was natürlich die Anwesenden in hämisches Gelächter versetzt,
pecorino
in allen nur erdenklichen Zubereitungsformen.
Pecorino
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