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Pechvogel: Roman (German Edition)

Pechvogel: Roman (German Edition)

Titel: Pechvogel: Roman (German Edition)
Autoren: S. G. Browne
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Charaktere glauben an Forschungsprojekte der Regierung, deren Masterplan es ist, der ganzen Welt das Glück zu stehlen und es Konzernen und Politikern zuzuschanzen. Dass die Regierung nichts gegen diese Ungerechtigkeit unternimmt und die Existenz von Glückswilderern sogar leugnet, gießt nur noch mehr Öl in diese ganz besonderen Feuer.
    Mindestens einmal pro Woche lese oder sehe ich etwas über Glücksdiebe in den Boulevardzeitungen oder im Trash-TV. Glücksdiebe, die sich auf Menschen stürzen, die Blitzschläge überlebt, im Lotto gewonnen oder beim Bowling ein perfektes Spiel hingelegt haben. Und seien wir ehrlich: Die meisten, die mich anrufen und mich um Hilfe beim Auffinden ihres gestohlenen Glücks bitten, sind schlicht nicht in der Lage, Verantwortung für ihre eigenen Probleme zu übernehmen oder mit ihren persönlichen Fehlentscheidungen fertigzuwerden.
    Nein, ihnen wurde ihr Glück nicht gestohlen. Denn wenn es ihnen gestohlen worden wäre, wüsste ich davon.
    Ich wäre derjenige gewesen, der es ihnen gestohlen hat.

Kapitel 3
    A m 26. November 1972 kam es an Bord von Flug 367 der Yugoslav Airlines auf der Strecke von Stockholm nach Belgrad zu einer Explosion. Das Flugzeug geriet außer Kontrolle, zerbrach in zwei Teile und stürzte über dem heutigen Tschechien ab. Siebenundzwanzig der achtundzwanzig Personen an Bord starben, der Großteil beim Aufprall der Maschine.
    Vesna Vulovic, ein Mitglied der Besatzung, befand sich zum Zeitpunkt der Explosion im hinteren Bereich des Flugzeugs – jenem Teil, der vom Rumpf abgerissen wurde und anschließend ungefähr zehn Kilometer in die Tiefe stürzte, ehe er sich in den Boden bohrte. Ein kleiner, rollbarer Speisewagen klemmte Vesna im hinteren Teil des Passagierraums ein. Der Wagen wirkte nicht nur wie ein Sicherheitsgurt, sondern verhinderte auch, dass Vesna hinausgesaugt wurde. Sie erlitt Frakturen an Schädel und Wirbeln, brach sich beide Beine und war vorübergehend von der Hüfte abwärts gelähmt. Aber sie überlebte Explosion und Absturz und hält seitdem den Weltrekord im Überleben eines Sturzes aus größtmöglicher Höhe ohne Fallschirm.
    Die meisten würden jetzt sagen, Vesna Vulovic habe Glück gehabt. Andere würde behaupten, sie wäre als Glückskind geboren. Sie alle hätten recht. Doch die Chance, dass Vesna Vulovic ihr Glück nach ihrem Rekordsturz dauerhaft behalten durfte, ist wohl in etwa so hoch wie die Wahrscheinlichkeit, um 1860 herum auf einer Sklavenplantage in Georgia einen Menschenrechtler zu finden.
    Über ein solches Maß an Glück wie das von Vesna Vulovic wird nicht berichtet, ohne dass es Aufmerksamkeit erregt. Und damit meine ich nicht die Aufmerksamkeit jener Leute, die möchten, dass man ihnen exklusiv seine Lebensgeschichte erzählt, oder die einen in Talkshows stecken wollen. Ich spreche von Leuten, die einem etwas nehmen wollen, mit dem man geboren wurde, um sich danach durch dessen Verkauf an Dritte persönlich zu bereichern.
    Ich spreche von Glücksdieben. Wilderern.
    Von Leuten wie mir.
    Schon bald nachdem Vesnas Geschichte in den Zeitungen zu lesen gewesen war, sie aus ihrem Koma erwacht war und sich einer neugierigen und mitfühlenden Öffentlichkeit gegenübergesehen hatte, trat jemand Unauffälliges auf sie zu. Bewaffnet mit nichts weiter als seiner ganz speziellen, angeborenen Physiologie, schüttelte dieser Jemand Vesna die Hand und stahl ihr Glück.
    Ta-dah. Einfach so.
    Ich war nicht dort. Ich habe Vesna Vulovics Glück nicht gestohlen. 1972 war ich noch nicht mal auf der Welt. Aber ich wette darauf, dass dieser Glücksdieb Vesnas Glück auf dem Schwarzmarkt für fünfzig große Scheine verkaufen konnte. Selbst in den Siebzigern musste man für das Glück von Berühmtheiten was drauflegen.
    Nicht jeder kann Glück stehlen. Diese Fähigkeit ist nichts, das man durch Ratgeber oder in Wochenendseminaren lernen kann. Sie kann nicht im Labor geklont oder mittels chemischer Reaktionen nachgebildet werden. Man wird damit geboren. Urgroßmutter vererbte Großvater dieses Talent, das er an meine Mutter weitergab, von der ich es bekam – auch wenn meine Mutter sich weigerte, es zu nutzen. Sie meinte, es wäre nicht richtig, jemand anderem sein Glück zu stehlen.
    Hätte meine Mutter ihre Fähigkeit ab und zu eingesetzt, wäre sie vielleicht nicht aus ihrer Parklücke gefahren, als dieser Bus eine rote Ampel ignorierte und kurz darauf ihren Wagen rammte.
    Manchmal sehe ich sie noch vor mir: im Fahrersitz, mit
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