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Pechvogel: Roman (German Edition)

Pechvogel: Roman (German Edition)

Titel: Pechvogel: Roman (German Edition)
Autoren: S. G. Browne
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bist du aufgetaucht und hast alles ruiniert.«
    »Mandy … Ich verstehe ja, dass du sauer bist, aber …«
    Einmal mehr lacht sie kurz, kehlig und bitter auf.
    »… aber wir sind nicht die Einzigen, die an dieser Geschichte hier beteiligt sind.« Ich zeige auf Doug und Tommy, die beide auf dem Rücken liegen.
    Dougs Handy plärrt wieder los, und die Baha Men stellen erneut ihre zeitlose, sich ständig repetierende Frage. Schließlich schaltet sich die Mailbox ein.
    Als Mandy sich zu dem Klingeln umdreht und nun Doug bemerkt, renne ich los und schnappe mir Tommys Pistole. Vielleicht liegt es daran, dass sie in diesem Moment begreift, dass hier oben zwei Leute herumliegen und dass einer von ihnen tot sein könnte, möglicherweise sogar beide. Vielleicht liegt es auch daran, dass ich jetzt eine Waffe habe. In diesem Moment lässt Mandy jedenfalls ihr Messer fallen und bricht in Tränen aus. Ich ziehe meine Anzugjacke aus, lege sie ihr um die Schultern und knöpfe sie zu, um Mandy warm zu halten. Außerdem geht mir diese ganze Nackte-Schwester-mit-Kahlschlag-im-Intimbereich-Nummer ziemlich an die Nieren.
    »Geh weg«, sagt sie, stößt meine Hände fort und wendet sich ab.
    »Mandy …«
    »Was auch immer du auf dem Herzen hast: Ich will es nicht hören.«
    »Du verstehst das nicht. Ich war …«
    »Ich habe keine Lust, mir deine Entschuldigungen anzuhören, Aaron.« Jetzt dreht sie sich wieder mir zu und sieht mich an. Tränen laufen über ihre Wangen. »Ich möchte einfach, dass du gehst.«
    Wir starren einander an, und ich überlege, was ich sagen oder tun könnte. Angestrengt suche ich nach irgendeiner Idee, einem Wort, einer Geste, einem Blick, um alles wiedergutzumachen, aber Mandy sieht nicht so aus, als würde sie sich erweichen lassen.
    »Was mich und meine Familie betrifft: Komm nie wieder auch nur in unsere Nähe«, fügt sie hinzu.
    »Aber …«
    »Nie. Wieder.« Und dann, ohne mir die Chance zu einer Erklärung zu geben, wendet sie sich ab, humpelt über das Dach davon, schließt die Tür hinter sich und ist verschwunden.
    Kurz erwäge ich, ihr zu folgen. Nicht weil ich glaube, sie umstimmen zu können, sondern weil ich sie mit der Pechinfektion nicht alleine lassen möchte. Ich habe Angst, dass sie es nicht lebendig aus dem Hotel schafft. Aber dann stöhnt Tommy leise auf, und mir wird klar, dass ich mich zuallererst um ihn kümmern muss.
    Und so gehe ich zu ihm hinüber und halte für den Fall, dass er aufwacht, die Waffe vor mich. Es macht den Eindruck, als wäre das Stöhnen eine einmalige Sache gewesen: Er ist immer noch bewusstlos. Seine Augen sind geschlossen, und sein Mund steht offen. Ich umrunde ihn, so dass ich an seinem Kopf stehe. Und dann hole ich die Phiole mit Pech aus meiner Tasche.
    Ich knie mich nieder und lege die Pistole neben mich, öffne die Phiole und schütte den Inhalt in Tommys Mund. Er würgt einmal und hustet. Damit gar nicht erst die Chance besteht, dass ein Tropfen Pech in meinem Gesicht landet, greife ich nach der Pistole, stehe auf, gehe um ihn herum und richte die Waffe auf ihn. Nur zur Sicherheit.
    Tommy hustet erneut, sein Körper verkrampft sich und zuckt, dann öffnen sich seine Augen. Er setzt sich auf und greift sich an die Kehle, betastet seine Brust und seinen Magen, starrt mich mit weit aufgerissenen Augen an.
    »Monday …«
    Ich nicke. »Ja, ich.«
    Mühsam wie der alte Mann, der er ist, rappelt er sich hoch und steht schließlich keuchend und schnaufend da. Sein Blick ist direkt auf mich gerichtet, und sein Gesicht scheint mit jeder Sekunde zu altern. Es ist, als ob all das Glück, das er verbraucht hat, die Last der Jahre wie ein Jungbrunnen von ihm ferngehalten hat, und diese Last nun auf einen Schlag zurückkehrt.
    »Übrigens«, teile ich ihm mit, »ist die Polizei auf dem Weg hierher. Sie dürften viel Spaß im Knast haben. Ich habe mir sagen lassen, dass Kindesentführer da hoch im Kurs stehen.«
    Tommy berührt mit zitternden Händen sein Gesicht und gibt ein ersticktes Schluchzen von sich. Dann reißt er erneut seine Augen weit auf, so dass ich für einen Moment befürchte, er könnte mich anfallen wollen. Stattdessen wendet er sich ab und taumelt an der Tür vorbei auf die Rückseite des Hotels zu. Im ersten Moment denke ich noch, dass er es mit irgendeiner Finte versucht, aber dann tritt er einfach über die Dachkante, ganz so, als gäbe es auch danach noch festen Grund. Kurz darauf ist er in vollkommener Stille verschwunden. Ohne einen Schrei
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