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Pausensnack

Pausensnack

Titel: Pausensnack
Autoren: Kirsty McKay
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arbeitsscheu aussehen und das hasse ich mehr als alles andere.
    Aber Sonja sah mich nicht einmal an, sondern tippte geschäftig etwas in ihr Handy. Ich ließ Mantel und Tasche langsam auf den Stuhl sinken.
    »Morgen brauche ich Sie, damit Sie mir bei dem Meeting zur Hand gehen. Seien Sie Punkt sieben hier.« Sie sah nun doch noch von ihrem Handy auf und schoss mir ein knallrotes Lächeln rüber. »Alles klar?«
    Adrenalin durchströmte mich, so dass ich am liebsten die Rückenlehne meines Stuhls gepackt hätte. Ich konnte das mädchenhafte Lächeln auf meinen Lippen nicht verhindern.
    »Ja, Sonja. Ich danke Ihnen für diese Chance.« Ich versuchte das Gespräch in Gang zu halten, aber sie lief bereits weiter den Flur entlang. Egal.
    Ich brauchte mich nicht umzudrehen, um zu wissen, dass Paul mir mit den Augen ein Loch in den Hinterkopf brannte.
    » Das Meeting? Sie will dich dabeihaben?« Seine nasale Stimme durchschnitt die Luft. »Was hast du gemacht, mit ihr geschlafen?«
    Er ist so durchschaubar in seinem Neid; ich wünschte, er wäre ein besserer Konkurrent. Ich hatte nicht mit Sonja geschlafen, aber wenn ich es für nützlich hielte, würde ich es definitiv machen. Nicht jede Achtzehnjährige, die wegen Autodiebstahl von der Uni geflogen ist, bekommt die Möglichkeit, in einem Unternehmen wie Xanthro ein Praktikum zu absolvieren. Nicht mal mit Eltern, wie ich sie habe. Hier hereingebracht hat mich mein Name, aber der ist auch kein Blankoscheck. Ein dummer Fehler und dein Leben ist ruiniert; ich kann von Glück reden, dass ich eine zweite Chance bekommen habe. Und wenn ich mich nur nach oben arbeiten kann, indem ich bei meiner Schwester auf dem Fußboden schlafe, mir ihre Designerschuhe ausleihe und über jeden, der mir im Weg steht, hinwegstapfe, dann werde ich genau das tun.
    (Nebenbei bemerkt war es das Auto absolut wert. Der Jaguar XK einer Kommilitonin; Innenausstattung in Ebenholz und karamellfarbenem Leder. Sehr achtlos von ihr, ihn in einer Samstagnacht draußen vorm Wohnheim stehen zu lassen. Ich meine, wer zum Teufel bringt denn einen Jaguar zur Uni mit?)
    Die Patek Philippe an meinem linken Handgelenk sagt 6 Uhr 39. (Ebenfalls gestohlen. Zugegeben, ich hab da ein Problem.) Sonja wird frühes Erscheinen von mir erwarten, also komme ich besser mal in die Gänge. Ich hieve mich vom Klo hoch und konzentriere mich darauf, auf den polierten Fliesen nicht auszurutschen. Schon wächst mein Selbstbewusstsein. Ich wusste doch, dass es richtig war, diese Schuhe zu mopsen. Ich wasche mir gewohnheitsmäßig die Hände und überprüfe mein Gesicht, aber ich weiß bereits, dass ich gut aussehe; ungepflegt gewinnt man hier keine Freunde.
    Draußen im Korridor komme ich an einem der wenigen Fenster in der Zentrale vorbei. Eine der merkwürdigsten Eigenarten dieses Gebäudes – und davon gibt es viele – ist die geringe Zahl an Fenstern; sie lässt einen die Tageszeit vergessen. Es ist immer noch dunkel draußen, aber ich kann den Schnee wirbeln sehen. Das Wetter ist scheußlich; das Auto, das meine Eltern und mich heute Morgen eingesammelt hat, hatte Schneeketten aufgezogen. Schneeketten! In England! Das einzige Mal, dass ich die jemals zuvor gesehen habe, war in der Schweiz.
    Die neuen Schuhe tragen mich zu Konferenzraum 1, wo es keine Fenster gibt und das Wetter draußen völlig irrelevant ist.
    Ich erreiche die Wartezone des Konferenzraums; am Empfangstresen sieht ein Mann auf und streckt wortlos und ohne zu lächeln eine Hand vor. Ich gebe ihm meinen Perso und er zieht ihn durch einen Kasten auf dem Tresen, dann hält er mir schweigend einen Baumwollknubbel an einem Stäbchen hin. Ich fahre mir mit dem Stäbchen kurz durch die Mundhöhle und gebe es zurück. Mit abgespreiztem kleinem Finger schiebt der Mann es in ein Röhrchen, das er in die Öffnung eines zweiten Kastens steckt, und drückt einen unauffälligen Knopf an dessen Seite. Der Kasten surrt leise und der Mann starrt auf seinen Bildschirm.
    »Bestätigt«, sagt er schließlich. »Bitte.«
    Ich habe den Test bestanden.
    Ich trete durch eine schlichte Tür in das zweite Vorzimmer und damit prompt in einen Körperscanner. Ich stelle mich hin, Arme erhoben und Beine gespreizt, und mich durchzuckt es innerlich, weil ich weiß, dass ich jetzt im Grunde für jeden Beobachter nackt bin. Ich kämpfe dagegen an, rot zu werden.
    Eine Frau winkt mich heran und tastet mich ab, knurrt »Schuhe!« und untersucht das Papier in jeder Spitze. Diesmal kann ich es nicht
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