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Paul sucht eine Frau

Paul sucht eine Frau

Titel: Paul sucht eine Frau
Autoren: Daniel Morawek
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und her zu rutschen, kann aber nichts dagegen machen.
    »Man kann nicht nur in den Tag hinein leben«, sagt sie.
    »Mach ich auch nicht.«
    »So?«
    »Natürlich nicht. Ich arbeite hart, mache Karriere. Das weißt du doch.«
    »Sprich mich nicht persönlich an. Stell dir vor, ich wäre gar nicht hier. Warum willst du Karriere machen?«
    Er braucht einen Moment, um seine Gedanken zu sortieren.
    »Damit es uns an nichts fehlt«, sagt er schließlich.
    »Ist das alles? Geht es dir nur ums Materielle?«
    »Ist das denn nichts?«
    »Wenn du dauernd einsilbig antwortest, werden wir nie fertig.«
    Er zuckt mit den Achseln.
    »Überspringen wir die Frage«, sagt sie. »Was zeichnet dich als Menschen aus?«
    »Können wir nicht schlafen gehen? Ich muss früh raus.«
    Sie antwortet nichts.
    »Wir können auch ein paar Kerzen anmachen und eine von deinen Soul-Platten auflegen, wenn du willst ...«
    »Warum kannst du nicht einmal eine ganz einfache Frage beantworten?«
    »Ist das jetzt auch für deinen Film?«
    »Vielleicht.«
    »Ich beantworte keine Fragen, weil ich eine Freundin habe, die eine ausgesprochene Nervensäge ist.«
    Martin versucht zu lächeln, unsicher, ob es ihm gelingt. Er hört Schritte, Lara bewegt sich im Raum. Dann geht das Licht an. Es dauert einen Moment, bis sich seine Augen an die neuen Lichtverhältnisse gewöhnt haben. Sie kommt auf ihn zu, setzt sich auf seinen Schoß und legt ihre Arme um seinen Hals.
    »Das ist wichtig für mich«, sagt sie.
    »Ich bin nicht der Richtige für sowas.«
    Lara seufzt.
    »Warum suchst du dir nicht einen normalen Job«, sagt Martin. »Es gibt so viele Möglichkeiten sich zu verwirklichen, auch kreativ, wenn du das unbedingt willst. Weshalb willst du ausgerechnet Filmemacherin werden?«
    Der Blick, mit dem sie ihn jetzt ansieht, gefällt ihm nicht. Schließlich schiebt er sie von seinem Schoß und erhebt sich.
    »Wann machst du eigentlich das Regal fertig?«, fragt sie unvermittelt und zeigt auf das Holzregal aus dem Baumarkt zwischen Kühlschrank und Fenster. Erst zwei der Regalböden sind montiert, die Außenwände stehen schief zueinander. Irgendwo hat er irgendein Teil falsch befestigt – auch die Schrauben haben nicht dorthin gepasst, wo sie seiner Meinung nach passen sollten. Die restlichen Bretter liegen wie ein Mahnmal seiner handwerklichen Unfähigkeit daneben.
    »Das ist immer noch provisorisch abgestützt. Seit Wochen geht das so.«
    »Ich muss jetzt wirklich schlafen gehen«, sagt er. »Ich habe morgen um neun Uhr ein Meeting mit den Produktmanagern und ich muss vorher noch die Absatzzahlen fürs letzte Quartal durchgehen.«
    Irgendwann wird er sich um das Regal kümmern. Natürlich. In den nächsten Tagen bestimmt. Aber heute nicht mehr.
    Lara schaltet die Filmleuchte ab und verlässt vor ihm das Zimmer. Während sie durch den Flur geht, meint er noch, sie murmeln zu hören: »Was bist du nur für ein Mann.«
     
    * * *
     
    Sie sitzt am Videoschnittplatz und sichtet das Material der letzten Tage. Lara ist vertieft in ihre Arbeit und merkt erst, dass jemand in den Raum getreten ist, als sich eine Dunstwolke über sie legt. Henrike.
    »Du weißt schon, dass Rauchen hier verboten ist?«, sagt Lara, ohne vom Bildschirm aufzusehen.
    »Süße, ich leite diesen Laden. Und? Wie läuft dein Projekt?«
    »Langsam weiß ich nicht mehr, was ich unternehmen soll. Mein Freund arbeitet nicht mit. Dabei weiß er, was dieser Film für mich bedeutet.«
    »Seien wir ehrlich«, sagt Henrike. »Ein Dokumentarfilm über Martin zu drehen ist so aufregend wie eine Wurzelbehandlung.«
    Lara wendet sich zu ihr um. Die Leiterin des Medienforums lehnt an einem Schreibtisch, die Kaffeetasse in der einen Hand, die Zigarette in der anderen und sieht auf Lara herab. In einem bunten Sommerkleid. Lara bewundert Henrike für ihre Art, Dinge einfach so auszusprechen, wie sie ihr in den Kopf kommen. Und für ihr jugendliches Auftreten – mit knapp fünfzig. Wenn sie weniger Rauchen würde, sähe sicherlich auch ihre Haut aus, wie die einer jungen Frau. Was Martin betrifft, so kann Henrike allerdings ziemlich garstig sein.
    »Langweiler wie Martin kenne ich. Mein zweiter Mann war auch so. Wobei – Martin hat wenigstens einen knackigen Arsch.«
    »Martin hat viele gute Seiten.«
    »Ja, ja. Seriöser Job, gutes Gehalt, Urlaub im Strand-Ressort ... Kenn' ich alles.«
    »Irgendwie muss ich den Film fertigkriegen. Die Einreichfrist für die Filmhochschule läuft erst im Frühjahr ab – aber bis
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