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Paul Flemming 04 - Die Meisterdiebe von Nürnberg

Paul Flemming 04 - Die Meisterdiebe von Nürnberg

Titel: Paul Flemming 04 - Die Meisterdiebe von Nürnberg
Autoren: Jan Beinßen
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Wäre es Ihnen lieber, wenn ich Sie für schwul hielte?«, ätzte der Reporter.
    »Blohfeld, lassen Sie Ihre blöden Scherze. Bitte.« Paul setzte all seine verbliebene Überzeugungskraft ein: »Ich brauche wirklich Ihre Hilfe!«
    »Es tut mir leid für Sie, Flemming«, sagte Blohfeld nun ungewöhnlich mitfühlend. »Wie gesagt: Wenn ich etwas höre, werde ich es Sie wissen lassen. Aber vorerst . . . – ich sage es nicht gern: Solange die Ermittlungen gegen Sie laufen, kann ich Sie unmöglich weiter als Fotograf für unsere Zeitung beschäftigen.«
    Paul glaubte nicht recht zu hören: »Sie feuern mich? Jetzt? Wo ich mit dem Rücken zur Wand stehe?«
    »Mein lieber Freund«, tat Blohfeld kumpelhaft, »in Kürze beginnt die große Ausstellung im Alten Rathaus. Sie wissen, wie wichtig das für die Stadt ist – also auch für unsere Zeitung. Ich werde den Fototermin für die Eröffnungsfeier anderweitig vergeben müssen. Wir haben da gerade eine angehende Fotografin im Haus, vielversprechende Person. Sie wird ganz sicher. . .«
    »Blohfeld!«, unterbrach ihn Paul. »Das können Sie mir nicht antun! Ich bin in einer Notsituation, ich bitte Sie um Hilfe, und Ihnen fallt dazu nichts anderes ein, als mir meinen Job wegzunehmen? Und ihn an eine unerfahrene Praktikantin zu vergeben?«
    »Oh, nein, nein«, wiegelte Blohfeld ab. »Sie hat durchaus gewisse Erfahrungen.«
    »Sie sind unmöglich! Sagen Sie, dass Sie das nicht ernst meinen!«
    »Leider doch, mein Lieber«, sagte der Reporter und klang nun etwas kleinlaut. Paul meinte, eine Spur von schlechtem Gewissen in Blohfelds Stimme zu erkennen. »Sie wissen doch, welches Potenzial diese Ausstellung hat. Ich darf da kein Risiko eingehen.«
    Die Reichskleinodien – vielmehr ihre Kopien – hatten in den letzten sechzig Jahren nicht gerade einen fürstlichen Platz gefunden. Sie fristeten in ihrer Nische in der kargen Ehrenhalle des Rathauses ein Schattendasein – trotzdem kamen Jahr für Jahr Hunderttausende Neugierige, um sich die Replikate anzusehen. Paul konnte nachvollziehen, dass die Stadt sich bei der vorübergehenden Rückkehr der echten Reichsinsignien aus Wien keinen Schnitzer leisten wollte.
    »Ja, ja«, sagte Paul niedergeschlagen. »Krone, Zepter, Reichsapfel.«
    »Nicht zu vergessen die Heilige Lanze«, knüpfte der Reporter an.
    »Ich verstehe schon«, sagte Paul mit leichter Ironie. »Die epochale Heimkehr der Reichskleinodien. Ein potenzieller Mörder in ihrem Dunstkreis würde den Glanz schmälern.«
    »Mal langsam, Flemming!«, zürnte Blohfeld durch den Hörer. »Ich glaube, Sie sind sich der Tragweite dieses Ereignisses wirklich nicht bewusst: Die Reichskleinodien sind ein Kulturgut von weltweiter Bedeutung. Für Nürnberg sind sie so wichtig wie die Kronjuwelen für London oder die Mona Lisa für Paris. Und der absolute Höhepunkt ist, wie gesagt, dass die Heilige Lanze dabei sein wird – die Lanze des Longinus«, betonte er weihevoll.
    Paul kramte sein bescheidenes Wissen darüber zusammen. »Aber es ist doch nicht einmal erwiesen, dass es wirklich die Lanze ist, mit der . . . äh . . .«
    ». . . die der römische Zenturio dem gekreuzigten Jesus in die Seite gestochen hat, um zu prüfen, ob er tot war. Mein lieber Flemming«, dozierte Blohfeld, »es ist vollkommen belanglos, ob die Speerspitze authentisch ist. Viele behaupten, dass nur ein Kreuznagel in die Lanze eingeschmiedet wurde, manche bestreiten auch das. So oder so ist es ein einzigartiges Exponat. Es wird seit Jahrhunderten verehrt, es bildete die Grundlage für den Machtanspruch Karls des Großen, und es ist vom Vatikan offiziell als Reliquie anerkannt. Die Heilige Lanze wird das Herzstück der Ausstellung! Nürnberg kann stolz sein, sie wenigstens für ein paar Wochen wieder beheimaten zu dürfen.«
    »Ich merke schon«, sagte Paul, »ich muss mein Schulwissen über die Reichskleinodien auffrischen.«
    »Ja, das müssen Sie. Dringend! Sonst werden Sie das kulturgeschichtliche Highlight Ihres Lebens versäumen«, behauptete Blohfeld. »Verstehen Sie jetzt allmählich? Es geht hier nicht um meine Person oder um Ihre, sondern um sehr viel mehr. Das Nürnberger Rathaus war immerhin einmal das symbolische Zentrum des Heiligen Römischen Reiches. Es verdient eine fantasievolle und offensive Darstellung seiner Geschichte, und die bekommt es nun endlich – durch diese Ausstellung. Das wird in diesem Herbst das größte History-Event nördlich der Alpen!«
    Mit einer weiteren, wenig überzeugend
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