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Paul Flemming 02 - Sieben Zentimeter

Titel: Paul Flemming 02 - Sieben Zentimeter
Autoren: Jan Beinßen
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Tochter zwei Küsschen auf die Wangen und ließ sich erschöpft neben Paul fallen.
    »Kommst du direkt aus dem Büro?«, erkundigte er sich fürsorglich.
    Katinka bejahte.
    »Hat sich die gute Doro denn schon zu ihrem überstürzten Fluchtversuch geäußert?«, fragte Blohfeld. »Das passt so gar nicht zu ihrer weiblichen Raffinesse.«
    »Es gibt bislang nur Vermutungen: Nach dem letzten Gespräch mit Andi Wiesinger hatte sie ein für alle Mal genug von ihrem Ehemann. Sie hatte außerdem begriffen, dass sie keinen Rückhalt mehr von irgendwem erwarten konnte. Impulsiv, wie sie nun mal ist, wollte sie in ihre Heimat reisen und von dem Anwalt ihrer Familie die Scheidung einreichen lassen. Zumindest wissen wir, dass sie auf dem Weg zum Flughafen von der Limousine aus mit einer Kanzlei in Salvador in Brasilien telefoniert hat.«
    »Das darf ich doch so in meiner Zeitung schreiben?«, fragte Blohfeld.
    »Nein, natürlich nicht.« Katinka legte ihre Handtasche ab und streifte unter dem Tisch ihre Schuhe von den Füßen. »Ich brauche jetzt erst einmal etwas zu trinken.«
    »Da empfehle ich etwas perlend Prickelndes.« Jan-Patrick hatte sich unbemerkt genähert. Mit stolz geschwellter Brust stand er in seiner weißen Küchenmeisteruniform vor ihnen und kündigte das Tagesgericht an. Wie Paul vermutet hatte, eine weitere Bratwurstkreation – allerdings war es eine wirklich ganz besondere. »Ihr dürft heute die Krönung meiner Bratwurstwochen kosten«, versprach Jan-Patrick vollmundig.
    »Drei im Weggla?«, fragte Blohfeld sarkastisch.
    Der kleine Koch ging nicht darauf ein. Mit ungebremstem Elan fuhr er fort: »Freut euch auf Champagnerbratwürste à la Jan-Patrick.«
    Hannah verschluckte sich an ihrem Cocktail. »Wie bitte? Ist das nicht ein wenig übertrieben?«
    »Überhaupt nicht!«, stellte Jan-Patrick selbstbewusst klar.
    »Man nehme rohe Nürnberger Rostbratwürste, guten Champagner, Crème fraîche, Salz, Pfeffer, Zucker. Der Champagner wird vorsichtig erhitzt, und die Würstchen ziehen im Sud, bis sie den nötigen Biss haben.«
    »Klingt vielversprechend«, sagte Katinka, und Paul bemerkte, wie sich die Anspannung von ihr löste. »Ich nehme eine Portion davon.«
    »Ich auch«, beeilte sich Paul zu sagen.
    »Ich weiß nicht recht«, sagte Hannah und verzog den Mund. »Ich hole mir nachher lieber was von McDonald’s.«
    Blohfeld lachte auf. Dann wandte er sich Jan-Patrick zu und fragte ihn verschwörerisch: »Mal ganz ehrlich. Nichts gegen Ihre zweifelsohne phantasievollen Wurstrezepte – aber wie essen eigentlich Sie persönlich echte Nürnberger am liebsten?«
    Jan-Patrick stutzte. Er rollte nachdenklich seine Augen. Dann sagte er sehr leise, so dass die Gäste an den anderen Tischen nichts hören konnten: »Ganz ehrlich mag ich sie am liebsten als Nackerte.«
    Blohfeld, Katinka, Hannah und Paul brachen in schallendes Gelächter aus. Als Nackerte – also das rohe Gehäck aus dem Darm gepellt und mit Zwiebeln und ein paar Gewürzen verfeinert – war nach Pauls Geschmack so ziemlich die provinziellste Variante des Wurstverzehrs. Aber gerade das, fand er, machte den Küchenmeister noch sympathischer, als er ohnehin schon war.
    »Jetzt fehlt nur noch die Auflösung des Rätsels, warum unsere Wurst so kurz ist, wie sie ist«, mischte sich die sonst so schüchterne Volontärin ein.
    »Betrachten wir sie doch einfach als Schöpfungsgabe des achten Tages«, sagte Pfarrer Fink lachend.
     
    Die Abendstunden verflogen, und Paul registrierte mit gewisser Genugtuung, dass es selbst Hannah überraschend lange mit seinen verstaubten Bekannten aushielt.
    Das änderte sich allerdings, als die lustige Runde auf das Thema Mitbewohnerin zu sprechen kam. Hannah erklärte äußerst wortkarg, dass sie inzwischen Ersatz für Antoinette gefunden hätte und damit die Mietkosten im Griff behalten könnte.
    Vor allem Katinka war es, die über diesen Ersatz ein wenig mehr erfahren wollte. Sie biss mit ihren Fragen jedoch auf Granit. Als sich dann auch noch Blohfeld einschaltete und ihr unverblümt unterstellte, dass Hannah mit dem Ersatz wohl nicht nur die Wohnung, sondern auch das Bett teilen würde, verabschiedete sich Hannah überstürzt.
    Die anderen blieben erheitert zurück. Selbst Katinka musste lächeln, als sie einräumte: »Sie ist alt genug, um solche Entscheidungen für sich selbst zu treffen.«
    »Und trotzdem bricht es Ihnen das Mutterherz, stimmt’s?«, bohrte Blohfeld nach. Daraufhin versetzte ihm Paul unter dem Tisch
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