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Paul Flemming 02 - Sieben Zentimeter

Titel: Paul Flemming 02 - Sieben Zentimeter
Autoren: Jan Beinßen
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Ihnen gegenüber angedeutet, dass ich im Besitz von Dokumenten bin, die schwere Verfehlungen in der Wiesinger’schen Wurstfabrik belegen. Ich hatte diese Dokumente im Sommerhaus aufbewahrt, weil ich annahm, dass dies der letzte Ort sein würde, an dem nach den Papieren gesucht worden wäre. Leider habe ich mich getäuscht. Ich war im Juli zweimal im Sommerhaus. Beim ersten Mal war alles beim Alten. Beim zweiten Mal aber, das war vor zwei Wochen, fand ich die Baracke durchwühlt vor. Nicht dass Sie mich falsch verstehen: Es gab keinerlei Einbruchspuren. Aber meine Dokumente sind seitdem verschwunden. Vielleicht werden Sie nachvollziehen können, dass ich mich seitdem so gut es geht verstecke. Für die Wiesingers steht viel auf dem Spiel – ich habe allen Grund, um Leib und Leben zu fürchten.
    Herr Flemming, ich bin froh, dass Sie sich um die Sache kümmern. Finden Sie denjenigen, der die Dokumente an sich genommen hat, und Sie werden den Fall abschließen können.«
    Paul blieb einigermaßen ratlos neben dem Anrufbeantworter stehen. Gestohlene Akten mit brisanten Fakten über die Bratwurstproduktion – hatte Doro Wiesinger auch hier ihre Hände im Spiel? Aber wie sollte sie von Imhofs Versteck erfahren haben?
    Nein, dachte Paul und ging weiter zur Kaffeemaschine. Dieser Zusammenhang erschien ihm unwahrscheinlich. Andererseits ließ ihn die Erwähnung des Zeitraums, dem Imhof den Diebstahl zugeordnet hatte, doch ins Grübeln kommen: Anfang Juli, also etwa eine Woche vor dem Mord an Wiesinger, wie Paul aus Imhofs Nachricht schließen konnte. Diese zeitliche Nähe kam Paul verdächtig vor. Sollte derjenige, der die Dokumente – durch Zufall oder ganz gezielt – an sich genommen hatte, sie gegen Wiesinger verwendet haben? Für einen Erpressungsversuch möglicherweise? Einen Erpressungsversuch mit tödlichen Folgen? Paul seufzte und beschloss ein anderes Mal darüber nachzudenken. Vielleicht hatte sich inzwischen bei Katinkas Ermittlungen etwas ergeben.
    Er kehrte mit einem frischen Cappuccino an seinen Schreibtisch zurück. Auf der Glasplatte lag der letzte übrig gebliebene Playmobilmann, die Standardfigur mit blauen Hosen und Nullachtfünfzehngesicht. Dieser Jedermann verriet nichts über seinen verborgenen Charakter. Paul setzte das Männchen kurzerhand auf den oberen Rand seines Bildschirms, lud alle seine Freunde für abends in den Goldenen Ritter ein und widmete sich dann in Ruhe seinen Fotos von den Gewölbekellern.

45
    Paul hatte einen von Wein umrankten Tisch in einer gemütlichen Nische des kleinen Biergartens hinter dem Lokal ausgewählt und wartete dort bei einem dunklen Hefeweizen auf die anderen.
    Während er die milde Abendluft genoss und die letzten goldenen Sonnenstrahlen des Tages bei ihrem Tanz auf den Weinblättern beobachtete, dachte er über die vergangene Woche nach. Es war eine aufregende Zeit gewesen, und Paul war froh darüber, dass der Ärger nun endlich vorüber zu sein schien. Doro Wiesinger saß in Untersuchungshaft. Nicht weit vom Frauengefängnis in der Mannertstraße entfernt wähnte Paul ihren Noch-Ehemann: Andi Wiesinger wollte inzwischen nicht nur das Finanzamt an den Kragen, sondern auch Gewerbeaufsicht und Zollbehörde. Die Produktion im Hause Wiesinger stand vorläufig still. Auch Heimatbundchef Jungkuntz saß in U-Haft und wartete auf die Anklage.
    Paul lehnte sich zurück. Die Ereignisse hatten stärker an ihm gezehrt, als er sich eingestehen mochte. Vor allem der Tod von Antoinette tat ihm nach wie vor unendlich leid. Paul hätte das Geschehen am liebsten rückgängig gemacht, er würde sich ewig vorwerfen, dass er Antoinettes verdeckte Hilferufe nicht erkannt hatte.
    Wäre sie doch nur rechtzeitig zurück nach Frankreich gereist! Mittlerweile wusste Paul von Katinka, dass Antoinette ihre Abreise völlig umsonst verschoben hatte: Es gab keinen Passus in Hans-Paul Wiesingers Testament, der auf ein uneheliches Kind hinwies. Sie hätte ihr Recht aus sicherer Distanz über einen Anwalt einklagen müssen, statt selbst darum zu kämpfen. Es war so naiv von ihr gewesen anzunehmen, dass ihr Vater sie nach so langer Zeit des Schweigens sofort als Tochter akzeptieren würde.
    In der Rückschau war Paul am meisten entsetzt darüber, auf wie viel Lug und Betrug, Eifersucht, Missgunst und Verrat er gestoßen war. Alles war letztlich auf lächerliche sieben Zentimeter gebratenes Hackfleisch zurückzuführen und natürlich auf das Geld, das damit zu verdienen war.
    Paul entsann sich, im
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