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Pas de deux

Pas de deux

Titel: Pas de deux
Autoren: Philippe Djian
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Vaters, mit dem sie leider seit über zehn Jahren keinerlei Kontakt mehr habe, der Gute … Und sie plapperte mit ruhiger Stimme weiter, während sie wie selbstverständlich ihren Rock herunterzog und erst das eine, dann das andere Bein hob und ihn im Licht musterte und eine Ecke unter den Wasserhahn hielt, »ach, nur ein bißchen Erde, das geht wieder raus …« – und sich nicht weiter um mich scherte, als wäre ich ein alter Freund, mit dem man ein Zimmer teilt.
    Ich machte sie darauf aufmerksam, daß ihre Sandalen voller Staub waren.
    »Ja, natürlich!« antwortete sie.
    Sie ergriff ein Papiertaschentuch und beugte sich nach vorn.
    Ich habe den Anblick eingehend gewürdigt. Dann trat ich auf sie zu. Ich habe einen Finger in das Gummi ihres Höschens gesteckt, und sie stützte sich aufs Bidet und spreizte die Beine.
    »Ah! Davon hab ich geträumt!« murmelte sie.
    Ich auch, aber das mußte ein Albtraum sein.
     
    Oder vielmehr, der Albtraum sollte noch kommen.
    Als mein nächster Schüler an die Tür klopfte, wartete ich schon auf ihn. Hélène war gefahren. Ich hatte geduscht. Ich hatte das Bad in Ordnung gebracht, den Boden gesäubert, auf dem wir uns betätigt hatten, und die Fenster aufgerissen.
    Das war ein sehr begabter Junge, dem ich mich schon seit vier Jahren widmete. Kaum legte er seine Hände auf die Tasten, legte sich ein Lächeln auf meine Lippen, denn ich hatte den Eindruck, alles käme wieder ins Lot. Aber bei genauerer Betrachtung mißfiel mir dieses Lächeln, und ich stopfte es mir in die Kehle zurück. Es war nicht nötig, sich an die Brust zu klopfen. Ein wenig Haltung genügte.
    Ich arbeitete bis zum Abend. Die Nachmittagshitze hielt an, und in der beginnenden Abenddämmerung legte ich mich in den Garten. Ich versuchte, keine Gewissensbisse zu haben. Ich wollte mich weder verurteilen noch freisprechen. Ich wollte einfach die Augen aufbehalten.
    Ein Anruf meiner Mutter riß mich aus diesem heiklen Unterfangen. Es sei besser, wenn ich vorbeikäme, meinte sie.
    Meine beiden Töchter waren noch nicht zurück. Ich schrieb ihnen einen Zettel. Als ich losgehen wollte, war mir, als hörte ich ein Geräusch aus dem Badezimmer. Es war Evelyne. Ihr Kopf und ihre Knie schauten aus dem Schaum hervor. Ich ließ meinen Blick kreisen.
    »Alles in Ordnung?« fragte ich sie.
    »Aber sicher … Natürlich ist alles in Ordnung!«
     
    Ich traf bei Einbruch der Dunkelheit ein. Als ich über die Allee schritt, trat ich auf Rudolf, der in ein fürchterliches Heulen ausbrach. Ich drückte ihn an mich und streichelte ihn, aber ich sagte kein Wort.
    »Wundert dich das?!« fragte ich meine Mutter, während ich Rudolf in ihre Arme legte. »Aber nicht ihn sollte man ausschimpfen, sondern euch! Herrgott, er ist einundsiebzig … Warum geht er nicht in Rente?!«
    Ich küßte sie rasch und kredenzte mir ein Glas Portwein, das ich in einem Zug austrank. Wir schauten uns kurz an, dann ging ich nach oben, um nach Ramona zu sehen.
    Noch bevor ich ihre Tür erreichte, wußte ich, was mich erwartete. Wir riechen einander, Ramona und ich.
    Ihre Laken waren durchnäßt, ihre Stirn glühend heiß. Sie bewegte sich unruhig in einem Halbschlaf, den ich nicht zu stören wagte. Meine Kehle war wie zugeschnürt.
    Ich ging hinunter, um ein weiteres Glas zu trinken.
    »Warum habe ich nur auf euch gehört?! Ich bin für alles verantwortlich!«
    Im gleichen Augenblick klingelte das Telefon.
    »Ja?«
    »Henri-John? Spaak am Apparat …«
    »Was? Wo stecken Sie bloß, verdammt nochmal?!«
    »Ich bin eben erst gekomomen. Was ist los?«
    »Ramona ist krank. Sie braucht Sie. Sofort!«
    »Teufel nochmal!«
    »Ja. Ich weiß nicht, was sie hat … Sie will außer Ihnen niemanden sehen! Sie hat fürchterliches Fieber!!«
    »Na gut … Ich werde versuchen, heute nacht vorbeizukommen. Vorher kann ich mich nicht freimachen.«
    » …«
    »Hallo? Mein Junge, ich habe auch nur zwei Arme und zwei Beine.«
    »In Ordnung. Sehr gut … Kann ich in der Zwischenzeit etwas tun?«
    »Nicht viel. Ich muß sie erst untersuchen. Sieh zu, daß das Fieber nicht zu sehr steigt. Aber gib ihr kein Aspirin, du weißt ja, ihr Magengeschwür …«
    »Was dann?«
    »Vorerst gar nichts. Nachher sehen wir weiter …«
    »Toll! Soll ich vielleicht mit ihr Händchen halten?«
    »Ja sicher. Obwohl, das muß nicht unbedingt sein. Sag mal … Erinnerst du dich an Message au monde mit Martha Graham, 1954?«
    Ich antwortete ihm, daß ich auf jeden Fall bleiben würde und daß wir uns
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