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Parrish Plessis 01 - Nylon Angel

Parrish Plessis 01 - Nylon Angel

Titel: Parrish Plessis 01 - Nylon Angel
Autoren: Marianne de Pierres
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Art; bei ihm liefen die Fäden zusammen. Er verbeugte sich leicht und fuhr sich mit seinen unförmigen Fingern durch die Haare, die ihm bis zum Oberschenkel reichten. Kleine Lichter funkelten zwischen den seidenen Strähnen hervor, wie bei einem Weihnachtsbaum. Ein schweres Parfum verdeckte seinen Körpergeruch. Wieder einer dieser sanften, weichen Männer. Und eitel noch dazu. Ich musterte ihn und versuchte, ihn einzuschätzen. Manchmal kann man die Schwächen von Menschen auf den ersten Blick erkennen, bevor eine nähere Bekanntschaft das Urteil trübt.
    Das Slag-Viertel lag im westlichen Teil des Tert. Plastique im Süden und Torley im Norden. Die westliche Grenze des Slag war der vergiftete Fluss Filder; Schlamm und Abfall türmten sich an seinen Ufern – ein Versuch, die unvermeidlichen Erdrutsche aufzuhalten.
    »Road Tedder.«
    Tedder kannte ich besser. Er lag ständig mit Doll Feast im Clinch um die Kontrolle der lukrativen Wirtschaftszweige von Plastique: die Bodyshops sowie das Hardware- und Tech-Geschäft. Seine Verschlagenheit trieb Doll in den Wahnsinn. Sie ließ ihn vierundzwanzig Stunden am Tag überwachen, und trotzdem behielt er die Oberhand und schützte seine Geheimnisse.
    Auf der Straße munkelte man, dass er seine erste Frau ermordet und anschließend aufgegessen hatte. Iss, was du tötest – eine gute Regel für die Jagd.
    Tedder lebte damals in den Vorstädten.
    Mein bevorzugter Waffenhändler, Raul Minoj, balancierte zwischen Doll und Tedder auf Messers Schneide. Allerdings hatte ich den Eindruck, dass er manchmal stark zu Roads Seite tendierte.
    »Und natürlich… Io Lang.«
    Ein unscheinbarer Mann streckte mir die Hand zur Begrüßung entgegen. Sie war kalt, und mir kam ein merkwürdiger Geruch entgegen… chemisch, antiseptisch, ätzend.
    »Nenn mich einfach Lang«, sagte er freundlich.
    Die Angst kroch wie ein riesiger Wurm durch meine Gedärme. Diesen Mann kannte ich nur vom Hörensagen. Das genügte.
    Lang herrschte über das dunkle Herz des Tert, einen Ort, den man Dis nannte. Manche behaupteten, dass die Wurzeln jeglicher Industrie des Tert in Dis lagen, aber ich hatte sie noch nie mit eigenen Augen gesehen. Kein Weg schien hineinzuführen. Kein Mensch kam jemals hinaus. Wenn man sich vor der Miliz verstecken musste, war Dis der richtige Ort dafür. Selbst wenn sie den Tert mit einer Bombe dem Erdboden gleich machten, würden sie einen dort nicht erwischen. Den Gerüchten zufolge bohrte sich Dis so tief in den Erdboden hinein, dass man auf Lava stieß – oder auf die Hölle, was auch immer zuerst von beiden kam. Dort lebten die wirklich Verrückten, autark und abgekapselt, eine eigene Welt in der unsrigen.
    »Und nun: Lasset uns zum Abendmahl schreiten.«
    Lasset uns zum Abendmahl schreiten? Jamon versuchte wirklich, Eindruck zu schinden! Tatsächlich schien er über irgendetwas ungewöhnlich aufgeregt zu sein.
    »Parrish, du wirst dich Lang widmen. Stellar… Señor Mueno.« Jamon setzte sich neben Road Tedder.
    Sogar im Sitzen überragte ich Io Lang, und ich sah aus wie seine Mutter. Wenn ich nicht so nervös gewesen wäre, hätte mich das wohl in Verlegenheit gebracht. Ich beobachtete Lang, während Mikey das Essen servierte.
    Langs braunes Haar war über den Ohren und in seinem Nacken militärisch abrasiert. Seine blasse Haut machte es schwierig, sein genaues Alter zu schätzen. Ein seltsames Lächeln spielte um seine Lippen. Es wirkte nicht aufgesetzt, passte aber dennoch nicht zu seinem restlichen Erscheinungsbild.
    Während der großen Langeweile des Abendessens sah er mich nur einziges Mal direkt an. Ich war dankbar dafür, dass es bei diesem einen Blickkontakt blieb. Wenn Mondo den Blick einer Schlange hatte, dann erinnerte mich Lang an das schlimmste aller Raubtiere: einen Mann ohne Seele.
    Und alles sollte noch viel schlimmer werden. Stellar klebte wie billiges Eau de Cologne an Mueno. Er hatte sichtlich Freude daran, derart umworben zu werden. Er machte Jamon Komplimente für seine außergewöhnliche Gastfreundschaft, während Stellar mir ihren Ich-bin-mehr-wert-als-du-dummes-Stück- Blick zuwarf.
    Vor einem Monat noch wäre ich auf diesen Köder angesprungen wie ein verhungerndes Straßenkind auf einen Knochen. Jetzt wollte ich nur hier raus.
    Die meiste Zeit des Abends über hielt ich meinen Kopf gesenkt und versuchte, die Stimmung der Unterhaltung aufzufangen – jeder wählte seine Worte mit Bedacht. Mein Instinkt verriet mir, dass Lang etwas hatte, das die anderen
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