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Paravion

Paravion

Titel: Paravion
Autoren: bouazza
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Teppich, den Cheira und Heira geknüpft hatten und der zusammengerollt in einem der Zimmer lag. Auf ihm waren Eulen abgebildet, Faune, Nymphen, ein Bach, ein Felsen, ein Baum und ein kleiner, eckiger Schäfer mit einer Flöte in der Hand.
    Alles, was Sofia tat, strahlte das Glück junger Mutterschaft aus, und sie ließ die Zwillinge keinen Augenblick aus den Augen. Die ganze Zeit summte sie und war glücklich, sehr glücklich. Und sie war begehrenswert mit ihren Schwangerschaftssommersprossen, die nicht mehr vom Gesicht verschwinden wollten. Ihr Becken war geschmeidiger geworden, und sie bewegte es jetzt verführerischer, nicht mehr so jungfräulich, sondern mit der Behendigkeit einer reifen Frau. Sie betrachtete sich im Spiegel, drehte sich um sich selbst und streckte ihren Hintern heraus. Baba Baluk schüttelte jedesmal den Kopf darüber, worauf sie ihm mit trägem Achselzucken antwortete: »Wenn du mich nicht bewunderst und schön findest, muß ich es halt selber tun.« Dann rollte sie mit einer geübten Bewegung das Haar zum Knoten.
    In solchen Augenblicken wollte er sie lieben, schnaubend wie ein Stier, ihr aber stand mehr der Sinn nach zärtlichem Minnespiel. Und das war gut so, er lernte, es zu akzeptieren.
    Im Umgang mit den fröhlichen, immer brabbelnden und lachenden Zwillingen war er unsicher. Er wußte nicht, wie er sie streicheln und mit ihnen spielen sollte. Jeder Versuch endete damit, daß die Kinder weinten. Dann kam Sofia und tröstete sie, wickelte sie in ein Tuch und band sie auf den Rücken, so daß sie mit der Hausarbeit fortfahren konnte.
    Dann kam der Tag, an dem die jungen Frauen unter Quadryges Führung das Badehaus in der Stadt besuchen wollten. Von der Hügelkuppe aus beobachtete Sofia, wie die Frauen in weiße Überwürfe gewickelt die Häuser verließen.
    Sie riefen ihr etwas zu, winkten. Sie fragten, ob sie mitwolle, und als Sofia das Wort »Badehaus« hörte, flackerte in ihr ein fiebriges Verlangen auf. Für eine junge Frau gab es kein größeres Vergnügen als ein Besuch im Badehaus. Sie flitzte durch das Haus, raffte alles zusammen, was sie brauchte –
    Bimsstein, Waschlappen, Seife, Kräutermischung, Kupferschalen –, und stopfte es in einen Beutel. Danach legte sie ein Messer und ein Häufchen Salz ans Kopfende der schlafenden Zwillinge, gab Baba Baluk einen schmatzenden Kuß, schaute ihn zärtlich an, gab ihm noch einen Kuß und eilte zu ihren Freundinnen. (So glücklich macht die Aussicht auf den Besuch des Badehauses ein Mädchen aus Morea, meine Herren. Und o wie schön sind die Frauen meines Landes!) Senunu flatterte über ihren Köpfen, wurde aber überstimmt vom Gelächter und Klirren der Frauen.
    Betreten blieb Baba Baluk eine Weile stehen und schielte zu den Zwillingen hinüber, die schliefen wie ein Rosenstrauch. Er wollte die Gelegenheit nutzen und dem Mädchen in der Schlucht einen Besuch abstatten.

    2
    Vor dem großen Tor des roten Basars stand ein Geschichtenerzähler in weiten, schwarzen, fledermausärmligen Gewändern, um den Kopf einen zerwickelten Turban, und schlug elegant gestikulierend einen Kreis Zuhörer in den Bann.
    »Hört zu, meine Herren!« befahl er, und die Leute wichen vor Schreck zurück. Mit wundervollen Augen, aus denen die Nacht mit ihrer Milchstraße nicht weichen wollte, nahm er das Publikum in Augenschein, bevor er fortfuhr. Er war ein Riese von einem Mann, die Falten seiner eleganten Kleidung bildeten eine Skulptur, und es war nicht zu sehen, ob er auf einer Seifenkiste stand, einem Sockel. Vor ihm auf der Erde lag aufgerollt sein fliegender Teppich, von einem Stein an Ort und Stelle gehalten; diese Dinger waren unberechenbar, man konnte sie kaum allein lassen. Und außerdem waren sie hoffnungslos veraltet.
    Sieben Frauen gingen kichernd an ihm vorüber. Sie betraten den Basar und bogen dann links ab. In einiger Entfernung, auf der rechten Seite, saßen die Schreiber unter einer Palme, ein Tisch war leer, die Palmblätter bewegten sich wie Trauernde.
    Nur der Wind in diesem grünen Kronleuchter konnte sich noch daran erinnern, was an jenem denkwürdigen Nachmittag gesprochen wurde.
    »Meine Dame«, sagte der Schreiber und sah sie einen Moment lang an. Der Basar fiel in sein ursprüngliches Tempo und Getöse zurück. Die schwankenden Palmblätter kleckerten ab und zu etwas Licht über sein hübsches Gesicht, das von einem Schwall Locken umrahmt wurde, als wären es Rabenfedern. Samt und Leben lagen in seinem Augenaufschlag, über den sich
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