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Paravion

Paravion

Titel: Paravion
Autoren: bouazza
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etwas abschlagen können. Nach dem Kochen schloß sich Mamurra im Schlafzimmer ein und warf sich in Schale. Sie zog den kostbaren grünsamtnen Kaftan mit den gelben Sonnenmotiven an, am Kragen hatte er eine Goldborte und Knöpfe aus Goldfaden, und auch die Ärmel waren mit goldnen Litzen eingefaßt. Aus Mangel an Edelsteinen trug sie eine Halskette aus weißen und roten Blüten, Cheira und Heira hatten sie für sie geknüpft, ein Collier aus der Frühjahrskollektion.
    Vor dem zersprungenen ovalen Spiegel kniend, bürstete sie die lockigen Ranken ihres schwarzen Haars mit Aufwärtsschwung vom Kopf weg, schlang sie zu einem Knoten und steckte sie mit einem Dorn fest. Das Kinn auf die Brust gedrückt, tätschelte sie den Dutt, als wäre er der Popo eines Negerkindes, wobei sich ein paar Strähnen lösten. Die langen Wimpern umrandete sie mit Kajal, bis sie wie knospende Zweige aussahen. Ihr zartes Fleisch war durch die Schwangerschaft voller geworden, und die Arme und Wangen hatten Grübchen bekommen. Hier und da zeichneten sich unter ihrer Haut blaue Aderchen ab wie Schatten von Ästen auf sonnenbeschienenem Schnee. Sie sah aus wie weiße und blauschwarze Trauben des Weinstocks, für keinen Markt bestimmt.
    Sie setzte sich an den gedeckten Tisch und griff zu, aber erst, nachdem sie Baba Baluks Geist aufgefordert hatte, sich als erster zu bedienen. Cheira und Heira amüsierten sich köstlich über dieses Ritual, es war wie früher beim Hüttenbauen, woran sie sich noch aus den naßlila Nebeln ihrer antiken Kindheit erinnern konnten. Mamurra aber war es bitterernst, ihr Mann konnte nicht wirklich weg sein, wenn sie überall seine Anwesenheit spürte. Er war da, im Geruch der von ihm zurückgelassenen ungewaschenen Kleider, in dem Paar gelber Babuschen, den gestopften Wollsocken, die durchs Haus irrten.
    Früher hatte sich Mamurra stets über diese Nomaden geärgert, jetzt aber waren sie Anlaß für liebevolle Seufzer. Außerdem gab es noch seinen Fußabdruck vor der Türschwelle zum Schlafzimmer: Einst war er unglücklicherweise in den nassen Zement getreten, der die Risse im offenen Innenhof kitten sollte. Wenn die Toilettentür quietschte, ein paar Bretter, zusammengehalten von Eisendraht und ein paar rostigen, krummen Nägeln, glaubte sie, er träte gleich heraus. In ihrer Erinnerung hatte sich sein Bild in Bruchstücken bewahrt: ein sinnierendes Auge, die Rundung seiner Nasenflügel, auf denen das Sonnenlicht spielte, die beiden tiefen Furchen zwischen den Augenbrauen, seine Gesichtszüge, die sich bei höchster Lust zusammenzogen, als müsse er sich mühsam an etwas erinnern. Zugleich spürte sie ihn noch in der Leere, die er hinterlassen hatte, im Bett, im eingedellten Kissen, in ihren verlassenen Armen. Verlassen, weil der Körper schnell vergißt, viel zu schnell, dachte sie. Sie hatte eine zwiefache Schwangerschaft, zu schwer für eine so zarte und zerbrechliche Frau wie sie, eine Schwangerschaft des Bauches und eine des Busens.
    Ihr Leben mit einem Geist dauerte schon einen Monat, als Cheira und Heira beschlossen, daß es so nicht weitergehen könne, und Mamurra mit ins Badehaus nahmen. Sie verbrachten einen heiteren Nachmittag. Dann nahmen die Zwillinge sie mit zu sich nach Hause. Dort geschah es, daß Mamurra eines Nachts verschwand und nicht mehr aufzufinden war. Cheira und Heira entdeckten das leere Bett und suchten nach ihr. Erst im weißen und roten Morgen fanden sie sie im Abqar-Tal, leise singend betastete sie mit zärtlichen Fingern die reifenden Feigen. Ein warmes Glühen ging von ihr aus, die Mundwinkel waren gelöst, die Locken zerzaust, und ihre Augen schielten leicht und beschwipst. Sexgesättigt sah sie aus, müde, aber nicht befriedigt. Bei jedem Schritt sackte sie in den Hüften, die sie phlegmatisch wiegte, etwas ein. Die Zwillinge begriffen, daß Mamurra nicht mehr zu helfen war, und brachten sie nach Hause zurück. Im Haus des Dorfoberhaupts erhob sich gerade lautes Gejammer. Sie sahen sich an und lächelten.
    Jetzt palten sie die Bohnen aus der Fruchthülle, wobei ihnen zum ersten Mal auffiel, wie sehr jede Bohne einem Embryo ähnelte. Der gemahlene Pfeffer ließ ihr Kichern im Niesen enden. An den grauen Ringen unter Mamurras Augen konnte man erkennen, daß die Schwangerschaft ihr schwerfiel. Sie hatte sich ein Tuch fest um den Bauch gebunden, der Rücken schmerzte; sie stützte die Hände in die Lendengegend und beugte sich leicht nach rechts und nach hinten. Immer wieder schwankte sie,
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