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Paravion

Paravion

Titel: Paravion
Autoren: bouazza
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servierte sie gegrillt oder gebraten mit gekochten Quitten, die sie mit Federn spickte, so daß sie aussahen wie Seeigel.
    Wildtauben briet sie in echter Butter, Zwiebeln und Zimt an und bestreute oder füllte sie danach mit Mandeln, Pistazien und Rosinen, dem Ganzen gab sie mit gemahlenem Safran, der bei fast keinem ihrer Gerichte fehlte, Farbe: Das Auge esse noch vor dem Mund, pflegte sie zu sagen. Gegrillte Finken bettete sie auf Bananen- und Weinblättern, bedeckte sie mit Wachteleidottern und Rosmarin, würzte mit Zimt, Kardamom und Muskat und krönte alles mit einer Zuckerglasur. Die Nachtigallen wickelte sie mit Rosinen und getrockneten Feigen in Palmblätter und begrub sie für längere Zeit in glimmender Asche, danach bestrich sie sie mit Rosenhonig und Orangenblütenwasser und streute Granatapfelkerne darüber.
    Als Garnitur dienten Zitronen- und Pfirsichblüten. Baba Baluk aß mit Wohlgeschmack und lautem Schmatzen, wie es einem Leckermaul ohne Manieren geziemte, die dankbaren Esser aber waren Cheira und Heira.
    Mamurra hatte keine Ahnung, woher sie diese Cuisine kannte; sie mußte wohl ein Erbe aus ihrer Kinderzeit sein, denn der Geschmack entwickelt sich in frühester Kinderzeit, aber Mamurra wußte ja gar nicht, wo die Wiege ihrer Kindheit lag. Immerhin hatten Cheira und Heira ihr die beste Milch eingeflößt, von Kühen, edlen Kamelen und sogar von Gazellen. »Milchschlabbertrienchen« hatten sie sie genannt, sie hatte ihre Milch auch wirklich immer gierig und unersättlich geschlabbert. Und es war diese heilsame Milch, die jetzt durch ihre Haut schimmerte.
    In den ersten Tagen nach Baba Baluks Abreise kochte Mamurra nur Fisch. Cheira und Heira erhandelten ihn beim Fischer im Tausch gegen Cannabis und Mutterkorn. An der Küste des Narvelmeers benetzte Meeresbrausen mit salzschläfrigem Tau ihre Augenlider. Zum Mittagessen grillte Mamurra kleine Sardinen mit Zitrone. Für den Abend stellte sie eine Auswahl aus Meerbrassen, Schwertfisch, Else, Merlan, Knurrhahn, Königsbarbe und Seehahn zusammen. Das Narvelmeer war an Fauna sehr reich, an Silberschuppen und Maschengold, entstanden aus dem alchemistischen Zusammenspiel von Sonne, Schaum und Aquamarin. Die rote Seebrasse – Cheiras und Heiras Lieblingsfisch und von ihnen ausgenommen – marinierte sie mit Koriander, Petersilie, Paprikapulver, Kümmel, Salz, Zitrone und Knoblauch und füllte den Fisch mit Reis, Oliven und Tomaten, bevor sie ihn auf ein Bett aus Kartoffeln legte und mit Tomaten bedeckte, damit er im Lehmofen nicht verbrannte: ein einziges Loblied auf das Land und das Meer, verführerisch triefend, als wäre alles gerade den Wellen entsprungen.
    Als Dessert erwarteten ihn Stapel von Früchten, aufgelesen aus dem Füllhorn des Überflusses, in dem auch das Meer beheimatet ist.
    Cheira und Heira, obgleich in Sorge darüber, welchen Aufwand Mamurra für den abwesenden Baba Baluk betrieb, ließen es sich schmecken, wischten die fettigen Finger und Lippen an den Fransen ihres Umschlagtuches ab. Kein Wunder, daß sie enttäuscht waren, als Mamurra nach ihrem merkwürdigen Verschwinden keinen Fisch mehr kochen wollte.

    »Er kann keinen Fisch mehr sehen«, erklärte Mamurra.
    An diesem Abend saßen sie vor einer einfachen Mahlzeit aus Huhn und Bohnen. Sie hörten die Haustüren des Dorfs in raschem Marschtempo zuschlagen. Danach folgte eine kurze Stille, die vorher stets von Mamurras Frage gefüllt worden war, wann er wohl endlich schreibe. Cheira und Heira hatten es sich angewöhnt, erst mit dem Essen zu beginnen, nachdem diese Frage gefallen war, und auch jetzt waren ihre Augen auf Mamurra gerichtet, die Finger lagen auf dem Tellerrand.
    Mamurra brach das Brot für sie. Sie hörten das traurige Gemecker der Ziegen im Tal. Im Innenhof zerkleinerte der Esel die Gemüseabfälle. Kiefer und Zunge des Tiers kreiselten, als versuchte es ein festsitzendes Stück Gemüse zwischen den Weisheitszähnen hervorzupulen.
    Nach dem Essen war Mamurra müde und ihr war so wohl, daß sie sich gleich hinlegte – sie aßen natürlich auf dem Boden
    – und sofort einschlief. Die Zwillinge deckten sie mit einem Laken zu, räumten das Geschirr auf, spülten es im träumerischen Schein der Karbidlampe kauernd ab. Danach wachten Cheira und Heira bei ihr, die im Licht des Mondes, so rund wie ihr Bauch, dalag wie die Wölbung einer verschneiten Höhle am Ufer eines zugefrorenen Sees.
    So saßen sie, bis die Morgendämmerung das veilchenförmige Flämmchen verwelken
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