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Papillon

Papillon

Titel: Papillon
Autoren: Henri Charrière
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verhindern, die hier, in dem jungfräulichen Boden, sehr zahlreich sind.
    »Schau, was ist denn das?« sagt Toto. »Schau, wie dieser Kiesel glänzt.«
    »Wasch ihn, Toto.« Er wäscht ihn und reicht ihn mir dann. Es ist ein kleiner Kristall in der Größe einer Kichererbse. Nach dem Abwaschen erweist sich die Stelle, wo er abgebrochen war, noch glänzender als das übrige, denn das Muttergestein besteht aus einer Art hartkörniger Schicht.
    »Kann das nicht ein Diamant sein?«
    »Halt’s Maul, Toto! Wenn’s ein Diamant ist, hast du es nicht hinauszubrüllen. Siehst du nicht, daß wir fast eine Diamantenmine entdeckt haben? Warten wir bis zum Abend. Versteck das inzwischen.«
    Am Abend gebe ich einem Unteroffizier (heute ist er Oberst) Mathematikstunden, er bereitet sich auf einen Offizierskurs vor. Dieser Mann, dessen Großmut und Rechtschaffenheit jeder Probe standhielten (er hat es mir in mehr als fünfundzwanzig Jahren Freundschaft bewiesen), heißt heute Oberst Francisco Bolagno Utrera.
    »Francisco, was ist das? Ist es ein Bergkristall?«
    »Nein«, sagt er, nachdem er den Stein genau untersucht hat. »Es ist ein Diamant. Versteck ihn gut und zeig ihn niemand. Wo hast du ihn gefunden?«
    »Unter meinen Tomatenpflanzen.«
    »Das ist seltsam. Hast du ihn nicht vielleicht mit dem Gießwasser aus dem Fluß miterwischt? Schöpfst du nicht mit dem Wasser zugleich etwas Sand mit in den Eimer?«
    »Ja, das kommt wohl vor.«
    »Dann stimmt’s also. Du hast deinen Diamanten aus dem Fluß herausgeholt, aus dem Rio Caroni. Such dort, aber sieh zuerst nach, ob du nicht schon andere mitgebracht hast, ohne es zu wissen, man findet niemals nur einen Edelstein allein. Dort, wo man den einen gefunden hat, befinden sich unbedingt auch andere.«
    Toto macht sich an die Arbeit. Noch nie in seinem Leben hat er so viel gearbeitet, so daß unsere beiden Kameraden, denen wir nichts erzählt haben, sagen: »Hör auf, dich so abzurackern, Toto, du wirst noch krepieren bei der vielen Wasserschlepperei vom Fluß. Außerdem bringst du lauter Sand mit.«
    »Das mache ich, damit die Erde aufgelockert wird, Kumpel«, ant wortet Toto. »Wenn sie mit Sand gemischt ist, läßt sie das Wasser besser durch.«
    Obwohl er von uns allen ausgespottet wird, schleppt Toto ununterbrochen Kübel voll Wasser mit Sand herbei. Eines Tages, als er von seiner üblichen Reise zurückkehrt, fällt er mitten im Sonnenlicht direkt vor uns, die wir im Schatten sitzen, auf die Nase, und aus dem umgestürzten Wasserkübel kollert ein Diamant heraus, groß wie zwei Kichererbsen. Wieder ist das Muttergestein zerbrochen, sonst hätte man ihn gar nicht gesehen. Toto versucht vergeblich, ihn rasch und unbemerkt aufzuheben.
    »Sieh da«, sagt Deplanque, »sollte das nicht ein Diamant sein? Die Soldaten haben mir gesagt, daß es im Fluß Diamanten und Gold gibt.«
    »Darum schlepp ich ja soviel Wasser! Ihr seht, ich bin nicht so dumm, wie ihr glaubt!« sagt Toto, glücklich, daß er endlich erklären kann, warum er sich so abrackert. Kurz, um die Diamantengeschichte zu beenden, binnen sechs Monaten ist Toto glücklicher Besitzer von sieben bis acht Karat Diamanten. Ich habe an ein gutes Dutzend und darüber hinaus ungefähr dreißig kleine Steine, die sich in »Kommerzsteine«, so nennen die Diamantensucher sie, verwandeln lassen. Eines Tages jedoch finde ich einen von mehr als sechs Karat, der später in Caracas geschliffen wurde und daraufhin ungefähr vier Karat ergab. Ich habe ihn noch immer und trage ihn Tag und Nacht am Finger. Deplanque und Antartaglia haben es ebenfalls zu einigen Edelsteinen gebracht. Ich habe noch immer den Stöpsel vom Bagno in mir drin, jetzt habe ich meine Steine dazugepackt. Die andern haben sich aus ausgehöhltem Rinderhorn ebenfalls Stöpsel gemacht, in denen sie nun ihren kleinen Schatz unterbringen. Niemand weiß etwas von der Sache außer Unteroffizier Francisco Bolagno, dem späteren Oberst.
    Die Tomaten und die anderen Pflanzen sind gewachsen. Peinlich genau bezahlen uns die Offiziere unser Gemüse, das wir ihnen tagtäglich in die Messe liefern.
    Wir leben in relativer Freiheit. Wir arbeiten ohne jede Bewachung und schlafen in unseren beiden Häuschen.
    Niemals begeben wir uns ins Lager. Wir werden geachtet und gut behandelt. Selbstverständlich bedrängen wir bei jeder nur möglichen Gelegenheit den Direktor, daß er uns doch in Freiheit setzen möge. Und jedesmal antwortet er: »Bald.« Aber nun sind wir schon acht Monate hier, und
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