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Palast der Schatten - historischer Kriminalroman

Palast der Schatten - historischer Kriminalroman

Titel: Palast der Schatten - historischer Kriminalroman
Autoren: Gmeiner-Verlag
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Träumen waren nur Totenküsse übriggeblieben. Hatte er einst geliebt? Liebe? Er konnte sich nicht mehr an dieses Gefühl erinnern. Hatte er Carla geliebt? Sein Herz vermochte nicht mehr fortzusetzen, was es vor Beginn des Krieges gespürt hatte. Und ebenso wenig sein Körper. Er war ausgewrungen und verdorben. Da war nichts, was noch Bestand hatte. In ihm war es totenstill. Sein Leben war erloschen.
    Theo roch den Tod. Er atmete Verwesung. Brandig waren die Wunden und die Gliedmaßen am Leibe verfault. Theo zitterte. Sein Hirn fühlte sich stumpf an. Er vermochte das Unbegreifliche nicht zu fassen. Vielleicht waren alle um ihn herum verrückt. Und er war der Einzige, der noch bei Sinnen war, vielleicht waren alle um ihn herum tot und er der Einzige, der noch lebte. Seine Augen quollen aus den Höhlen heraus. Er ballte die Fäuste. Vielleicht war dies die Hölle und er dazu verurteilt, sie auszuhalten. Theo horchte. Da war es wieder. Er hörte sie rascheln. Hinter der Ecke, hinter der Häuserecke wartete sie auf ihn. Die elende weiße Ratte. Wartete. Werden ihn schon zurechtbiegen, wisperte sie. Dunkelheit stürzte auf Theo herab. Die Ratte bleckte die Zähne. Theo sprang auf. Ich werde ihr nicht in die Falle gehen. Ich muss sie beseitigen. Niemand wird mehr über mich herfallen, ich muss es tun. Wer, wenn nicht ich. Eine bittere Freude erfasste ihn. Eine grausam glückliche Gelassenheit, die das Ende seiner Qualen bedeutete. Er würde nicht mehr durch die Straßen irren. Er wusste jetzt, was zu geschehen hatte.
    Leichtfüßig schnellten seine Füße voran, die sonst nur mühsam unter der schweren Last seiner selbst voranschritten. Fast ohne sein Zutun liefen sie vorwärts, überquerten eine Kreuzung. Je näher Theo der Anstalt kam, desto heftiger geriet er außer sich. Er keuchte. Dunkle Wut kochte in ihm. Er versteckte sich hinter der großen Eiche neben dem Anstaltstor. Er atmete schwer, hörte ein Rasseln in seiner Lunge. Jähe Angst presste seine Kehle zusammen. Er sah die Gitter, sein Zimmer, die Fesseln, die Wände, aus denen die Bilder herausplatzten, vor sich, Wände, die auf ihn einstürzten und ihn unter sich begruben. Er sah sich auf dem Tisch in dem weißen Saal liegen, die knöcherne Hand, die auf ihn zukam. Er spürte einen starken Schmerz durch sich hindurchziehen, krümmte sich. Kalter Schweiß trat ihm auf die Stirn. Holt mich hier raus. Holt mich raus. Er spürte wieder das Lachen in sich. Doch sein Instinkt warnte ihn davor aufzufallen. Musste bei Sinnen bleiben. Theo hob den Arm, schätzte die Entfernung vom Baum zum Tor, stellte sich vor, wie Weiß’ Schädel zerplatzte. Eine Pistole, er brauchte nur eine Pistole. In Theos Kopf surrte es, seine Adern pulsierten. Dann zog eine schaurige Ruhe in seinem Herzen ein.

Das Kriegssofa
    Theo lag auf dem Sofa. Carla putzte das Fenster. Ihre Anspannung wuchs. Sie ertrug es nicht länger.
    Â»Es ist schon Mittag, Theo, willst du nicht endlich aufstehen?«
    Sie erhielt keine Antwort.
    Â»Warum nimmst du nicht die Kamera und filmst? Versuch es. Fang wieder an zu filmen. Es liegen doch noch Rollen da. Das wird dir guttun.«
    Theo wieherte haltlos.
    Â»Gute Idee, ja, wirklich, sehr gut. Ich drehe einen Krüppelfilm. Das ist nicht schwer. Sie stehen ja überall. An jeder Ecke, in den Bahnhöfen, in den Kneipen, im Park. Deutsche Vogelscheuchen. Niemand will sie ansehen. Doch ich werde sie zeigen. Kamerafahrt durch die Stadt. Die Kamera gleitet über die Schattenmenschen. Halbtotale, dann Nahaufnahme, Nahaufnahme, Nahaufnahme. Und du kannst dazu ein flottes Marschlied spielen. Und dann filme ich auch in den Lazaretten.« Theo lachte auf. »Ich mach eine Sondervorstellung für unsere zerhackten Feldgrauen. Der Film wird den Titel ›Unsere tapferen Heimkehrer‹ tragen. Und dazu werde ich erzählen:

    â€ºSehr versehrte Kameraden,

    Die Zeit der Stümpfe ist angebrochen. Übung und Nachdenken sind jetzt gefragt.
    Doch verzagt nicht. Je weniger von einem verlorenen Arm erhalten ist, desto öfter werdet ihr euch mit Lippen, Kinn, Brust, Beinen, Füßen behelfen können.
    Ein Bein weniger kann einfach durch Krücken ersetzt werden. Zwei Beine ohne Problem durch ein Rollbrett.
    Für die vielfach Verstümmelten unter euch haben wir leider keine Ratschläge. Wenn ihr Glück habt, erhaltet ihr die eine oder andere
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