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Palast der Schatten - historischer Kriminalroman

Palast der Schatten - historischer Kriminalroman

Titel: Palast der Schatten - historischer Kriminalroman
Autoren: Gmeiner-Verlag
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Prothese. Für fehlende Schwänze gibt es leider keinen Ersatz.
    Kopflose müssen verhungern. Aber das ist ja immer noch besser, als ohne Gesicht herumzulaufen. Nur Mut, Kameraden!‹

    Und danach, danach zeige ich ›Tontolinis Beinkleider‹. Komödie zum Totlachen.«

    Carla warf den Putzlappen auf den Boden und flüchtete aus der Wohnung.

Tage der Reue
    Der Frost zeigte seine scharfen Zapfenzähne. Die Stadt war mit einer eisigen Haut überzogen. Alle Menschen froren, denn es fehlte an Heizmaterial. Wenn morgens die Ascheimer auf die Straße geschüttet wurden, suchten alte Frauen nach Kohleresten. Und Gas durfte nur noch wenige Stunden am Tag verbraucht werden.
    Es war früh am Morgen. Carla wartete mit Hunderten von Frauen vor der Bezirksstelle, um Kohlenbons zu ergattern. Viele bekamen keine, obwohl sie ein Anrecht darauf hatten. Einige Frauen fluchten, andere fielen in Ohnmacht.
    Carlas Gedanken waren so eisig wie die Stadt in ihrem Frostmantel. Früher hatte sie die Kartoffelschalen fortgeworfen. Dann hatte sie sie gesammelt und gegen Anfachholz eingetauscht. Schließlich aßen sie jede Kartoffel mit Schale. Inzwischen gab es weder Kartoffeln noch Kohle. Seit Längerem schon holte sie Suppe aus der Suppenküche. Etwas anderes als Steckrübenbrühe schwamm nicht mehr in den Bottichen. Die Brotrationen waren auch noch einmal gekürzt worden. Die Schwarzmarktpreise konnte sie schon lang nicht mehr bezahlen.
    Ihre Gedanken wanderten zu Theo. Abscheu. Sie spürte nichts als Abscheu. Hilflose Abscheu. Sie ertrug es nicht mehr, ihn anzusehen. Alles an ihm erschien ihr fremd, tot und abgestorben. Sie hasste sein dumpfes, leblos verzerrtes Gesicht. Er war feige, er stellte sich nicht dem Leben. Eine jämmerliche Figur. Warum sollte sie es ihm länger verheimlichen? Ihre Rücksichtnahme machte sie krank. Nahm er denn Rücksicht? Er hatte ohnehin kein Interesse mehr an ihr. Warum sollte sie nicht klare Worte sprechen, ihm von Max und ihr erzählen. Ja, sie hatte wieder mit Max geschlafen. Sie waren nach der Vorstellung wie selbstverständlich in seine Wohnung gegangen. Max war ihr Anker, ihr Halt in dem bedrohlichen Durcheinander, in dem sie lebte.
    Eine dunkle Wolke zog über Carlas Seele. Es war schlimmer, das Glück zu kennen und es nicht wiederzufinden. Sie dachte an die Zeit, in der sie mit Theo glücklich gewesen war, in der ihre Herzen sich überschlugen und ihre Liebe sie unzertrennbar machte. Sie fühlte sich elend und krank. Sie war sich selbst fremd geworden. Was ging in ihr vor? War es so? Sie schlief mit Max, aber sie liebte Theo. Oder liebte sie Max, und für Theo blieb nur Mitleid, das sich hinter ihrer ohnmächtigen Wut versteckte? Das Unvermögen, sich von einem Kriegskopfkrüppel zu trennen, ihn im Stich zu lassen, sich für das Leben, die Zukunft zu entscheiden, nicht für die Starre und das Leid der Vergangenheit? Wie viele Vergangenheiten konnte man vertreiben? Was war denn von ihrer Liebe, von ihren Hoffnungen, von ihrem Glück übrig geblieben? Ihr bisschen erlebtes Glück war nur für kurze Zeit in ihr elendes Leben eingeschoben und nichts als eine Illusion. Alles erschien ihr als böser Traum, der zur Wahrheit geworden war und sich in ihr Leben mischte. Sie hatte keine Kraft mehr, Theo zu retten. Sie war gescheitert. Die Mauer, die er um sich gezogen hatte, war undurchdringbar. Die Enttäuschung zerfraß ihren Mut, vergiftete ihren Körper, der sich nur noch mit bleiernen Gliedern fortbewegte. Gleichzeitig wehrte sie sich dagegen einzusehen, dass ihr Leben, ihre Liebe erloschen waren und nie wiederkehren würden. Was unterschied sie von einer Fliege, die versuchte, aus einem Honigtopf zu krabbeln, und dabei nicht nach oben gelangen konnte? Theos Ängste bestimmten ihr Leben, seine Unruhe, seine Lachanfälle im Wechsel mit Stumpfsinn und Apathie. Wenn er sich den ganzen Tag herumtrieb, kam er verstörter als zuvor zurück. Seine Stimme wurde immer greller, ertönte in panischem Falsett, das messerscharf den Raum zerschnitt. Sie ängstigte sich. Was trieb er? Aus! Aus und vorbei! Das war niemandem zuzumuten. Sie war nicht fähig, seine Probleme zu teilen. Diese Probleme nicht! Carla empfand einen dumpfen Schmerz in der Brust. Fort, fort, schrie es auf einmal in ihr. Weg, weg. Am liebsten wäre sie vor sich selbst fortgelaufen. Ihre Träume fielen vom Himmel und schlugen
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