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Palast der blauen Delphine

Titel: Palast der blauen Delphine
Autoren: Brigitte Riebe
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schließlich Gegeneinander der beiden Strömungen, in dem die defensive, auf Erhalt ausgerichtete weibliche Herrschaft schließlich unterlegen war.
    Als die Zeit des Stiers allmählich zu Ende ging und die männlich bestimmte, aggressivere des Widders immer deutlicher in Erscheinung trat, wurde noch überall auf Kreta die Große Mutter verehrt, wie es seit Urzeiten üblich war.
    Es waren große Paläste mit kultisch-repräsentativem Charakter entstanden; es gab Städte mit mehreren tausend Einwohnern an den Küsten und im Landesinneren. Eine eigenständige Kunst mit den Schwerpunkten Malerei, Keramik und Kleinplastik hatte sich entwickelt, deren beinahe als impressionistisch zu bezeichnende Ausdruckskraft und Schönheit uns noch heute beeindrucken und begeistern. In ihren schönsten Erzeugnissen zeigt sich uns eine höfische Kultur voller Eleganz, Raffinement und Lebensfreude, die keine einzige Darstellung von Krieg oder Grausamkeit kannte. Ihr Wahrzeichen ist für mich das Fresko im Palast zu Knossos, das im Zimmer der Königin einen Schwarm blauer Delphine zeigt. Ihm zu Ehren trägt der Roman seinen Namen.
III
    Die Minoer beherrschten den Bronzeguß und alle damit verwandten Techniken bis zur Perfektion. Was sie noch nicht bewerkstelligen konnten, jedenfalls nicht mit befriedigenden Ergebnissen, war das Schmelzen und die Weiterverarbeitung von Eisenerz. Aber der Siegeszug des neuen Metalls war nicht mehr aufzuhalten. Zu Beginn der Eisenzeit fand die minoische Kultur ein jähes Ende.
     
    Mit dem Vulkanausbruch auf der Insel, die damals Strongyle (Die Runde) genannt wurde, und heute den Namen Santorin trägt, fiel auch Kreta einer Feuer- und Flutkatastrophe zum Opfer. Der Palast zu Knossos, von dem nur Ruinen übrigblieben, soll später von Mykenern besiedelt worden sein.
    Der Vulkanausbruch hatte noch im Umkreis katastrophale Auswirkungen. Als Meerwasser in die von der herausgeschleuderten Magma zurückgelassenen Hohlräume drang, erfolgte durch den Kontakt des Wassers mit dem glutflüssigen Magma eine gewaltige Explosion, bei der mehr als die Hälfte des kegelförmigen Vulkans in die Atmosphäre gesprengt wurde.
     
    Damals erhielt die Insel Santorin ihre heutige Gestalt. Es muß zu beeindruckenden grünlich-dunklen Sonnenuntergängen gekommen sein, und der Himmel über ganz Europa war anhaltend verdunkelt.
    Sogar in der nordischen »Lieder-Edda«, dem wohl bedeutendsten Werk der altisländischen Literatur, kommen die Fimbulvitri, die Schwarzen Nächte vor, eine Erscheinung, die den Menschen der damaligen Zeit als das Ende der Welt erschienen sein muß.
     
    Bis zu hundert Meter hohe Flutwellen erreichten Kreta und sorgten, zusammen mit dem nachfolgenden Ascheregen, für das Ende der Hochkultur. Viele glauben auch, die Katastrophe von Santorin sei das Ereignis gewesen, das dem von Platon überlieferten Mythos von Atlantis zugrunde liegt.
IV
    Natürlich gibt es auch Wissenschaftler, die diese Auslegung bezweifeln. Ob der Vulkanausbruch, der circa um 1500 v. Chr. zu datieren ist, direkt oder indirekt das Ende der minoischen Kultur bedeutet hat, werden vielleicht erst künftige Forschungen endgültig beweisen. Sicher ist, daß sich nach dem Vulkanausbruch neue Herren vom Festland auf der Insel durchsetzten. Sie drückten der kretischen Kultur ihren Stempel auf; deutlich ist der starrere, männlich-mykenische Geist zu spüren.
    Das Patriarchat übernahm endgültig die Macht.
V
    Wie es scheint, kopierten die Mykener nicht nur das hochentwickelte Verwaltungssystem der Minoer, sondern sie übernahmen auch deren Schrift. Aus der minoischen Linear-A-Schrift entwickelten sie die abgewandelte mykenische Linear-B-Schrift, um mit ihr ihre eigene Sprache, ein frühes Griechisch, zu schreiben.
    Aber auch hier tauchen wieder neue Geheimnisse auf. Auf den überlieferten minoischen Täfelchen, auf denen Verwaltungsbelange der Paläste und Tempel festgehalten wurden, sind vor allem Namen, Begriffe, Zahlen und Mengen einander zugeordnet. Aber sie liefern uns – noch? – keinen tieferen Zugang zur minoischen Kulturgeschichte.
     
    Fraglich ist auch die Bezeichnung und Schreibweise der Namen des alten Kreta. Ich habe mich der gängigsten Schreibweisen bedient.
    Der Ursprung einiger – heutiger – kretischer Ortsnamen liegt im dunkeln. Ich habe das heutige Hagia Triada, wo die »Villa der Königin« ausgegraben ist (Ort der großen Zählung) in meinem Roman Elyros genannt.
    Das heutige Mallia bekam den (vermutlich) minoischen Namen
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