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Palast der blauen Delphine

Titel: Palast der blauen Delphine
Autoren: Brigitte Riebe
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dann stieß sie sie auf. Mirthos Körper sank neben ihr zu Boden.
    Nur mit Mühe konnte sie ihre Hand vor Augen sehen. Die Luft war erfüllt von einem dumpfen, unheilvollen Pfeifen. Unschlüssig blieb sie stehen und schaute nach oben zu dem steinernen Doppelhorn auf dem Sims. Das letzte, was sie sah, schon halb im Fallen, war etwas Großes, das auf sie zugeschossen kam. Dann hatte das Doppelhorn ihren Schädel zertrümmert.
     
    Erst am dritten Tag sickerten bleiche Sonnenstrahlen durch die dunkle Wolkenwand. Asterios, Hatasu und die Mysten hatten ihre Schutzhöhle die ganze Zeit über nicht zu verlassen gewagt. Sie hatten überlebt, wenn auch in reichlich mitgenommenem Zustand. Die Kleider klebten ihnen am Körper, und es roch streng in ihrer kleinen Unterkunft. Die jungen Männer bemühten sich um aufgesetzte Tapferkeit; Otis, das Mädchen, zitterte bei jedem unerwarteten Geräusch. Hatasu hatte sich ganz in sich zurückgezogen. Schweigsam und unnahbar wie eine ägyptische Tempelkatze war sie auch während der schrecklichsten Gesteinshagel geblieben.
    Asterios verließ als erster ihren Unterschlupf und prallte sofort wieder zurück. Alles war von heller Asche bedeckt, wie unter einem Leichentuch verhüllt. Einer nach dem anderen krochen sie heraus. Wohin sie auch schauten – alles war weiß und grau überzogen. Sie nahmen sich nicht die Zeit, die aufgerissenen Körper ihrer Pferde zu verscharren. Entkräftet stiegen sie bergan, zurück zu dem Platz, wo sie die anderen vor drei Tagen zurückgelassen hatten.
    Es war ein langer, beschwerlicher Weg zu Fuß, der sie vorbei an verbrannten Sträuchern, entlaubten Bäumen und unzähligen Menschenleichen und malträtierten Tierkadavern führte. Die Häuser eingestürzt, erst, als sie sehr hoch kamen, sahen sie ein paar, die unversehrt geblieben waren. »Meinst du, sie sind noch am Leben?« fragte Hatasu, als die Höhlen im Sicht kamen.
    »Die Göttin gebe es, daß sie gesund sind«, erwiderte Asterios.
    Dann entdeckten sie eine dünne Rauchfahne und beschleunigten ihre Schritte. Der erste, der ihnen entgegenstürmte, das schüttere Haar versengt, das Gesicht schmutzstarrend, war Iassos. Er strahlte bis über beide Backen. »Ihr lebt! Der Großen Mutter sei Dank!« rief er bewegt. »Ich wußte, ihr würdet wiederkommen! Wie bin ich froh, euch zu sehen!«
    Gleich hinter ihm folgte Deukalion. Wortlos zog er Hatasu und Asterios in seine Arme. »Asterios! Hatasu!« brachte er schließlich hervor. »Wir hatten schon mit dem Allerschlimmsten gerechnet. Was ist mit den anderen? Erystenes? Den jungen Leuten aus Amnyssos?«
    »Das ewige Rad des Schicksals hatte sich schon gedreht«, sagte Asterios. »Wir kamen zu spät, um ihren Frevel zu verhindern. Wir konnten nichts mehr tun. Die Große Mutter hatte sie schon bestraft. Keiner von ihnen ist mehr am Leben.« Er wandte sich kurz ab und sah Hatasu an, dann wurde sein Ton lebhafter. »Und ihr hier? Wie ist es euch ergangen?« wollte er wissen. »Wo sind die anderen?«
    »Du hattest recht mit deinen Warnungen«, sagte Deukalion. »Die, die sich daran gehalten haben, haben überlebt, zitternd und bebend, aber überlebt. Aber es gab auch einige, die nicht auf deine Anweisungen gehört haben.« Er deutete auf einen kleinen, halb zerfallenen Höhleneingang, der ein ganzes Stück bergab lag. »Wir haben ihre Leichen dort drüben zusammengetragen. Hier oben gibt es nicht genug Erde, um sie anständig zu begraben. Und wir wollten auf deine Rückkehr warten. Was soll mit ihnen geschehen?« Sein Ton wurde drängend. »Wir müssen uns beeilen, Asterios! Wir müssen hier weg, wenn nicht noch alle krank werden sollen.«
    Nach und nach waren die Überlebenden aus den Höhlen gekommen.
    »Wartet lieber noch ein paar Tage«, warnte Asterios. »Hier ist es noch am sichersten. Die ganze Insel ächzt unter dem Hauch des Todes. Der schwarze Berg scheint im Augenblick zum Stillstand gekommen zu sein, aber keiner von uns kann wissen, ob auf Dauer.«
    »Was sollen wir tun?« fragte Deukalion ungewohnt hilflos. »Können wir überhaupt überleben? Unsere Vorräte reichen nicht mehr lange, auch wenn wir sie strengstens einteilen.«
    »Es geht im Augenblick vorrangig um die, die überlebt haben«, erwiderte Asterios. »Bedeckt die Leichen mit Asche, damit keine Seuche ausbricht. Anschließend unterzieht diejenigen, die diese Arbeit getan haben, einer gründlichen Reinigung. Alles weitere besprechen wir, wenn ich wieder aus Knossos zurück bin.«
    »Du
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