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Paladin der Seelen

Paladin der Seelen

Titel: Paladin der Seelen
Autoren: Lois McMaster Bujold
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vielleicht lag es aber auch an ihrer Jugend und ihrer Kraft: Das Mädchen war zwar überaus höflich, wirkte aber keineswegs scheu in Gegenwart der Königin. Ista nahm es mit Erleichterung zur Kenntnis. »Hast du denn keine Angst, wenn du so ganz allein auf den Straßen unterwegs bist?«
    Sie schüttelte den Kopf so heftig, dass ihr Zopf hin und her schwang. »Ich reite jeder Gefahr davon. Bisher jedenfalls.«
    Ista glaubte das gern. Das Mädchen war zwar größer als sie, aber immer noch kleiner und leichter als ein durchschnittlicher Mann – selbst als die drahtigen Burschen, die sonst bevorzugt für den Kurierdienst eingesetzt wurden. Ein Pferd würde ihr Gewicht kaum spüren. »Aber … aber ist es nicht unangenehm? Du musst bei Wind und Wetter reiten, bei Hitze, in der Kälte …«
    »Ich bin doch nicht aus Zucker. Der Regen macht mir nichts. Und wenn es schneit, hält mich das Reiten warm. Wenn nötig, kann ich mich auch in meinen Mantel wickeln und unter einem Baum auf dem Boden schlafen. Oder auf dem Baum, wenn die Gegend unsicher aussieht. Obwohl die Pritschen in den Kurierstationen natürlich wärmer sind, nicht so ungemütlich.« Spöttisch kniff sie die Augen zusammen. »Nicht ganz so ungemütlich …«
    Ista empfand eine gewisse Bewunderung für diese Tatkraft. »Wie lange bist du nun schon für die Kanz lei unterwegs?«
    »Seit drei Jahren. Seit ich fünfzehn geworden bin.«
    Was hatte Ista mit fünfzehn gemacht? Vermutlich hatte sie sich auf ihre Rolle als Ehefrau eines bedeutenden Fürsten vorbereitet. Als sie so alt war wie dieses Mädchen jetzt, war König Ias auf sie aufmerksam geworden, und damit hatten ihre Vorbereitungen sich in einem Maße ausgezahlt, wie ihre Familie es sich in den kühnsten Träumen nicht hätte vorstellen können. Nur war Ista von diesen Träumen in einen einzigen langen Albtraum geraten, als Ias’ uralter Fluch auch auf sie fiel. Ein Fluch, der inzwischen gebrochen war, dank der Gnade der Götter und der Taten von Lord dy Cazaril – gebrochen seit drei Jahren. An diesem Tag hatte ihr Geist sich aus dem erstickenden Nebel befreien können, in den der Fluch sie gehüllt hatte. Und die Mattigkeit, die ihr Leben umwob, und die Ausweglosigkeit ihres Daseins waren seither nur noch das Ergebnis langer Gewohnheit.
    »Warum hat deine Familie dich so früh gehen lassen?«
    Belustigung huschte über das Gesicht des Mäd chens und erhellte ihre Züge wie Sonnenstrahlen, die durch grünes Blätterwerk stachen. »Wenn ich so darüber nachdenke … Ich fürchte beinahe, ich habe vergessen, vorher zu fragen.«
    »Und der Postmeister hat dich einfach so aufgenommen, ohne die Erlaubnis deines Vaters?«
    »Ich nehme an, auch er hat zu fragen vergessen. Damals hat er verzweifelt nach neuen Reitern ge sucht. Ist schon erstaunlich, wie schnell die Regeln sich ändern, wenn man in einer Zwangslage steckt. Aber ich habe auch nicht erwartet, dass mein Vater oder meine Brüder den ganzen Weg hinter mir herlaufen und mich zurückschleifen. Schließlich hat er vier weitere Töchter, für deren Aussteuer er sorgen muss.«
    »Hast du dich noch am selben Tag davongemacht?«, fragte Ista verblüfft.
    Das breite Grinsen wurde noch breiter – auch ihre Zähne waren gesund, bemerkte Ista. »Natürlich! Ich hab mir gedacht, wenn ich jetzt wieder nach Hause gehe und noch einen einzigen Strang Garn spinnen muss, krieg ich einen Schreikrampf. Und meine Mutter hatte nie viel für mein Garn übrig. Sie meinte, es wäre zu knotig.«
    Mit dieser Erklärung konnte Ista etwas anfangen. Ein Lächeln legte sich auf ihr Gesicht. »Meine Tochter ist auch eine begeisterte Reiterin.«
    »So erzählt man sich in ganz Chalion, Majestät.« Liss’ Augen leuchteten auf. »In einer einzigen Nacht von Valenda nach Taryoon, und dabei auch noch feindlichen Truppen ausweichen – so ein Abenteuer hatte ich noch nicht! Und auch noch nie solch einen Lohn.«
    »Dann lass uns hoffen, dass nie wieder ein Krieg so nahe an Valenda herankommt. Wohin reitest du als Nächstes?«
    Liss zuckte die Achseln. »Keine Ahnung. Erst einmal reite ich zurück zu meiner Kurierstation und warte darauf, dass der Postmeister mir die nächste Tasche in die Hand drückt. Dann sehe ich ja, wohin sie muss. Wenn Ser dy Ferrej gleich eine Antwort mitschickt, werde ich wohl etwas schneller unterwegs sein, ansonsten lass ich’s erst mal langsam angehen und gönne meinem Pferd ein bisschen Ruhe.«
    »Heute Abend wird er kaum noch etwas schreiben …« Ista
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