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Pakt der Könige

Titel: Pakt der Könige
Autoren: Ange Guéro
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Großteil der Sklaven gehorchen und nicht zu fliehen versuchen würde. Was machte es schon, wenn ein oder zwei verloren gingen?
    Marikani glaubte dennoch nach wie vor an ihre Sache, und Arekh beobachtete bekümmert, wie sie sich abmühte, die Sklaven zu überzeugen. Gegen ein kleines Bestechungsgeld
ließen die Wachen sogar manche erwachsene Sklaven kommen und gehen, offiziell, damit sie sich »etwas zu essen besorgen« konnten, und es fanden kleine Treffen am Rande der Hochebene statt, wo Marikani, Arekh und Non’iama ihr Lager aufgeschlagen hatten.
    Am zweiten Tag deutete sich dann eine Veränderung an.
    Allerdings leider nicht die, die Marikani herbeisehnte. Die Sklaven wollten noch immer nicht den Aufstand proben, aber sie wollten jemanden anbeten.
    Und zwar Ayesha.
    Wie waren diese Gerüchte entstanden? Hatte Non’iama sie in Umlauf gebracht? Zu Arekhs großem Erstaunen hatte die Geschichte von der Sklavenkönigin und ihrer Rede auf der Terrasse die Eroberung Salmyras überlebt, und die meisten Einwohner von Nôm - Sklaven wie Freie - hatten davon gehört. Eine Sklavin, die sich für eine Prinzessin ausgegeben und den Thron bestiegen hatte … Die Geschichte war zu schön, sie bot den Stoff, weitererzählt und umgeformt zu werden: Man las eine jeweils unterschiedliche Moral und Deutung hinein. Die Einwohner von Nôm sahen natürlich keine Verbindung zwischen dem Mythos, der sich um Marikani zu bilden begann, und der jungen Frau mit dem verhärmten Gesicht und den staubigen Gewändern, die, einen Turban auf dem Kopf, so viel Zeit damit verschwendete, mit den in den Pferch gesperrten Menschen zu sprechen. Aber die Mitglieder des Türkisvolks wussten etwas, und im Laufe der Stunden, die sie unter der Sonne in Erwartung des Todes zubrachten, war ihnen die Vermutung, dass Ayesha unter ihnen weilte, zur Gewissheit geworden.
    Ayesha wird uns retten , sangen die Kinder.
    Ayesha wird das Zeichen geben , leierten die Frauen, und
die Gesänge stiegen in die Abendluft auf, während die Zeit verging und der Tag des Rituals immer näher heranrückte.
    »Ich bin nicht Ayesha«, sagte Marikani zornig zu Res, der an ihr Feuer gekommen war, um sie zu besuchen.
    Res war erschöpft; er war hungrig, durstig und verzweifelt. Er stürzte sich auf die Suppe, die Marikani ihm auffüllte, und schlang sie hastig hinunter.
    »Sie werden sterben«, sagte er danach mit Tränen in den Augen. »Sie werden sich widerstandslos zur Schlachtbank führen lassen …«
    »Habt Ihr mit Mano gesprochen?«, fragte Marikani; sie sprach von einem muskulösen Sklaven, der vielleicht andere hätte beeinflussen können, wenn er den Aufstand gewagt hätte.
    Res schüttelte den Kopf. »› Die Götter haben mich ge schlagen ‹«, zitierte er. »Beinahe hätte ich ihn geschlagen. Vielleicht hätte ich das tun sollen.« Er ergriff den Wasserschlauch und trank einen großen Schluck.
    »Flieht, Res«, sagte Marikani. »Das Ritual findet morgen Abend statt, und die Bewachung wird von nun an schärfer werden. Flieht, solange noch Zeit ist. Ihr könnt sie nicht retten … Das kann niemand.«
    Marikanis Stimme war so bitter, dass es Arekh schmerzte. Non’iama erschauerte.
    »Ayesha«, sagte sie in flehendem Tonfall.
    »Ich bin nicht Ayesha!«, schrie Marikani. »Es gibt keine Götter, keine Göttin, keine Tochter des Gottes, dessen Namen man nicht nennt. Begreifst du das nicht, Non’iama? Du bist alleinige Herrin über dein Schicksal! Du! Du und niemand sonst!«
    Das kleine Mädchen starrte sie mit großen, verblüfften Augen an. Marikani winkte gereizt ab.

    »Ich werde sie nicht verlassen«, sagte Res mit bekümmerter Miene. »Es sind meine Kinder und meine Brüder und Schwestern. Wie könnte ich sie im Stich lassen? Wenn sie sterben, sterbe ich mit ihnen.«
    Wieder einmal überkam Arekh eine Vorahnung - die Vorahnung, dass sich, entgegen allem Anschein, etwas Wichtiges ankündigte, etwas, das über die fünfhundert Leben der Sklaven weit hinausging … Er hob den Blick zum Tempel, zum Nachthimmel und zur Rune der Knechtschaft, die am Himmel funkelte.
    Dann sah er es. Das orangefarbene Aufleuchten in den Bergen. Nein … nicht eines … zwei … drei Lichter. Die auf Nôm zukamen.
    Er stand abrupt auf und zerrte Marikani am Arm gewaltsam auf die Füße. »Res«, sagte er mit rauer Stimme, »kehrt in den Pferch zurück. Marikani, Non’iama … Wir gehen. Sofort.«
    Marikani wollte protestieren, aber Arekhs Blick hielt sie davon ab. Sie folgte ihm, und gemeinsam
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