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Pacific Paradise - Boone Daniels 2

Pacific Paradise - Boone Daniels 2

Titel: Pacific Paradise - Boone Daniels 2
Autoren: Don Winslow
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Tais in zweistelliger Zahl hinter die Binde gekippt – scheißegal, woraus die bestehen. Boone hat keine würdevolle Entlastung durch den Tod verdient. Aber Daves Lebensretterinstinkt gewinnt die Oberhand und er späht über den Rand seines Boards nach Boones Gesicht unter Wasser. »Dem geht’s gut.«
    »Ja«, sagt Hang, »aber wie lange kann der die Luft anhalten?«
    »Lange«, sagt Johnny.
    Früher hatten sie sogar Wettkämpfe im Luftanhalten veranstaltet, die Boone jedes Mal gewonnen hatte. Johnny hegt den finsteren Verdacht, dass Boone eine Art Mutant ist und seine Eltern eigentlich Außerirdische von einem Amphibienplaneten sind. Den Atem anhalten zu können ist für einen echten Surfer wichtig, weil man vielleicht unter einer großen Welle hängen bleibt und dann ist es besser, wenn man ein paar Minuten ohne Luft auskommt, weil einem nämlich sowieso keine andere Wahl bleibt. Surfer trainieren für diesen Fall der Fälle, der zwangsläufig eintritt. Es wird passieren.
    Johnny sieht ins Wasser und winkt.
    Boone winkt zurück.
    »Der ist okay«, sagt Johnny.
    Was zu einer nicht besonders lebhaften Diskussion darüber führt, ob man absichtlich ertrinken kann oder ob sich der Körper am Ende durchsetzt und einen zum Auftauchen zwingt. An einem kühleren Tag mit mehr Wellen wäre das genau die Art von Thema gewesen, die eine heftige Kontroverse ausgelöst hätte, aber unter der glühend heißen Sonne und in der nichtexistenten Brandung verebbt das Gespräch genauso wie das Meer.
    August ist scheiße.
    Als Boone endlich wieder auftaucht, fragt ihn Johnny: »Hast du den Sinn des Lebens entdeckt?«
    »So ungefähr«, sagt Boone und klettert wieder auf sein Board.
    »Erzähl, wir können’s kaum erwarten«, nuschelt Dave.
    »Der Sinn des Lebens ist«, sagt Boone, »so lange wie möglich unter Wasser zu bleiben.«
    »Wenn überhaupt, dann ist das nicht der Sinn des Lebens«, merkt Johnny an, »sondern das Geheimnis des Lebens.«
    »Okay«, sagt Boone.
    Geheimnis, Sinn, geheimer Sinn, egal.
    Der geheime Sinn des Lebens ist vielleicht genauso einfach wie die Dawn Patrol selbst. Man verbringt Zeit mit guten, alten Freunden. Man macht etwas, das man gerne macht, mit Leuten, die man liebt, an einem Ort, den man liebt, auch wenn es keine Brandung gibt.
    Wenige Minuten später geben sie’s auf und paddeln zurück. Die Dawn Patrol packt ein – die frühmorgendliche Surfsession ist vorbei. Sie haben alle noch was vor – Johnny kommt von der Nachtschicht, muss aber nach Hause, weil seine Frau Ärztin ist und in dieser Woche für den Frühdienst eingeteilt wurde, Hang muss Pacific Surf aufschließen, Tide wird als Vorarbeiter bei den Stadtwerken erwartet, wo er für die Straßenentwässerung verantwortlich ist, auch wenn es zur Zeit gar nichts zu entwässern gibt. Und Dave muss auf den Rettungsturm, um die Badenden aus der nicht existenten Brandung zu fischen.
    Die Dawn Patrol – die besten Freunde, die Boone auf der Welt hat.
    Aber er geht nicht mit ihnen an Land.
    Da er im Moment keinen Auftrag hat, bringt es nichts, ins Büro zu gehen, nur um nachzusehen, ob die roten Zahlen noch röter geworden sind.

04
    Die Gentlemen’s Hour ist eine echte Institution bei den Surfern. Die Gentlemen’s Hour, die zweite Runde im Tagesablauf, schließt an die Dawn Patrol an, wenn die jungen Draufgänger von der Session am frühen Morgen an ihre Arbeitsplätze eilen und den älteren Veteranos den Strand überlassen – den Rentnern, Ärzten, Anwälten und erfolgreichen Unternehmern, die den Achtstundentag längst hinter sich gelassen haben.
    Okay, die Jungen dürfen durchaus auch zur Gentlemen’s Hour bleiben, aber sie sollten die ungeschriebenen Regeln kennen und befolgen:
Schnapp niemals einem Alten die Welle weg.
Protzen ist verboten, also mach mit deinem jüngeren Körper keine Sachen, die die anderen mit ihren älteren nicht mehr hinbekommen.
Sag niemals deine Meinung über gar nichts.
Sag niemals so was wie: »Die Geschichte hast du uns schon mal erzählt.«

    Denn die Gentlemen bei der Gentlemen’s Hour reden gerne. Verdammt, oft gehen sie nicht mal ins Wasser, sondern stehen nur mit ihren klassischen Holzbrettern rum und erzählen sich eins. Erinnern sich an Wellen aus der Vergangenheit, Wellen, die mit der Zeit immer größer, dicker, gemeiner, schöner und länger werden. Eigentlich ganz menschlich, nachvollziehbar, und schon als Boone noch ein echt nerviger Anfänger, ein Gremmie, war – und nur wenige Gremmies waren
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