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Pablito

Pablito

Titel: Pablito
Autoren: Käthe Recheis
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um ihn zu fangen! Uyuni würde inzwischen den Mais
abfressen.
    Der Schmetterling flog wieder
fort.
    Jetzt mußte Großmutter Yacuma
bald zurückkehren. Pablo atmete auf. Aber er horchte vergeblich auf Großmutter
Yacumas Schritte. Zwar - war das nicht ein Rascheln im Gras gewesen? Pablo
lauschte angestrengt. Quitos Haare sträubten sich. Und da brachen sie schon
hervor aus den blütenbedeckten Büschen, die schwarzen wilden Schweine. Pablo
warf einen Blick auf die Ziege. Es nützte nichts, er mußte Uyuni allein lassen.
    Quito bellte. Pablo klatschte
in die Hände, schrie und schlug mit einem Stecken nach den frechen Räubern. Die
wilden Schweine quiekten und rannten aufgeregt hin und her. Pablo und Quito
jagten sie weit in den Urwald zurück.

    Als die beiden wieder zu der
Hütte kamen, stand die Ziege Uyuni mitten im Maisfeld.
    Quito stürzte zornig auf sie
los. Uyuni sprang zur Seite und senkte angriffslustig ihren störrischen Kopf
mit den weißen Hörnern. Sie tat zuerst so, als seien der kleine Hund und Pablo
die Missetäter, dann ging sie zur Hütte und weidete ruhig im Gras, ohne sich um
Quitos Bellen zu kümmern.
    Pablo blickte auf jene
Maispflanzen, von denen Uyuni die Köpfe gefressen hatte. Nun würde Großmutter
Yacuma traurig sein und glauben, Pablo und Quito hätten geschlafen oder Affen
und Papageien gejagt, anstatt das Feld zu hüten.
    »Du böses Tier!« rief er.
    Er setzte sich wieder auf den
festgestampften Boden. Er preßte die Lippen aufeinander, stützte das Gesicht in
die Hände und starrte die Ziege Uyuni an. Quitos Flanken zitterten noch vom
Laufen, und die Zunge hing ihm aus dem Maul.
    Warum kam Großmutter Yacuma
nicht? Der Weg zum Wasserloch war nicht weit. Wegen der fehlenden Maispflanzen
wünschte Pablo zwar, die Zeit möchte ganz, ganz langsam vergehen. Aber
Großmutter Yacumas Fernbleiben war so ungewohnt, daß er eine seltsame
Beklommenheit spürte.
    Endlich erblickte er Großmutter
Yacuma auf dem Pfad, der vom Wasserloch zur Hütte führte. Ihre Gestalt war
gebeugt, als wäre ihr der große Krug zu schwer. Solange Pablo sich erinnern
konnte, hatte sie ihn jeden Tag ohne Mühe getragen. Jetzt blieb sie sogar
stehen, und sie sah nicht auf, als Pablo ihr entgegenlief.
    »Großmutter!« rief er.
    Großmutter Yacuma hob ihr
Gesicht. Es war sehr bleich. Pablo erschrak. Aber sie lächelte und ging
schneller. Sicher war sie nur müde. Und nun war es an Pablo, den Blick zu
senken. Doch Großmutter Yacuma schien die abgefressenen Maispflanzen nicht zu
bemerken. Sie streichelte Uyuni, die schmeichelnd herbeigelaufen kam, legte
ihre Hand auf Pablos Kopf und fragte ihn, ob er schon hungrig sei.
    Es wurde Abend. Großmutter
Yacuma sagte kein Wort wegen des Maisfeldes.
    Sie aßen geröstetes Maismehl
und Bananen. Dann setzten sie sich vor die Hütte. Quito schlief zu ihren Füßen.
Uyuni schlief in ihrem kleinen Stall.
    Auf die kurze Dämmerung war
schon die Nacht gefolgt. In den dichten Wipfeln der Bäume begann das Spiel der
Lemuren, dieser kleinen, affenähnlichen Tiere, die nur nachts ihre
Schlupfwinkel verlassen. Von Ast zu Ast springen sie, wie Geister der
Dunkelheit, hoch über dem Boden des Waldes, zu dem sie niemals herabkommen.
    Pablo blickte zu dem schwarzen
Himmel auf. Großmutter Yacuma hatte ihn gelehrt,
    M jeden Abend an seine Mutter und
an seinen Vater zu denken. Seit vielen Jahren waren sie tot, und Pablo konnte
sich nicht mehr an sie erinnern. Auch wie Tante Jacinta aussah, hatte er
vergessen. Tante Jacinta war mit dem jungen Indianer Juan in das Dorf Tupica
jenseits des großen Flusses gegangen. Pablo war damals sehr klein gewesen. Der
Weg nach Tupica führte immer geradeaus nach Osten, zuerst über den großen Fluß,
dann durch den Sumpf und über die Ebene. Onkel Juan wohnte im ersten Haus des
Dorfes. Man konnte es sofort sehen, wenn man die Hügel von Tupica erreichte.
    Juan und Jacinta waren niemals
gekommen, um Großmutter Yacuma und Pablo zu besuchen. Früher war Großmutter
Yacuma traurig gewesen, nun aber seufzte sie nicht mehr, wenn sie von Juan und
Jacinta sprach. Großmutter Yacuma hatte Quito und Uyuni, und vor allem - Pablo
war ja bei ihr!
    Pablo legte seinen Kopf an ihre
Schulter. Ein kleiner Stern fiel aus dem Kreis seiner Kameraden, und bevor er
in der Nacht verlosch, zeichnete er eine leuchtende Straße auf den Himmel.

    »Eines Tages«, sagte Großmutter
Yacuma, »werde ich sehr müde sein. Ich werde ein-schlafen und nicht mehr
aufwachen. Dann, Pablito, sei
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