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Pablito

Pablito

Titel: Pablito
Autoren: Käthe Recheis
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anderen Ufer fahren!« Quito bellte, Uyuni beschnupperte
neugierig das Floß. Pablo schnitt mit seinem Messer die zähesten Lianenranken,
die er finden konnte. Er prüfte die Balken und nahm alle jene fort, die ihm
nicht fest genug schienen.
    Das Floß aber wurde viel zu
klein, als er die übriggebliebenen Balken nebeneinander legte. Pablos Mut sank
wieder, aber dann lachte er über sich selbst. Er konnte Pfosten aus den Wänden
der verfallenen Hütte brechen und damit das Floß vergrößern.
    Die Hütte schwankte, als er
hinaufkletterte. Durch die Löcher im Boden sah er das dunkelgrüne strömende
Wasser. Pablo lockerte vorsichtig die losen Balken und warf die brauchbaren ans
Ufer. Das morsche Holz knisterte.
    Plötzlich tauchte gerade unter
ihm der Kopf eines Tieres auf. Pablo erschrak so sehr, daß er beinahe in den
Fluß gefallen wäre. Er klammerte sich an die Hütte und starrte auf das braune
Tier. Aber es war nur eine große Ratte, die sich vor ihm fürchtete und rasch
wieder verschwand. Pablo fuhr sich mit der Zunge über die trockenen Lippen.
    Er schleuderte den letzten
Balken ans Ufer und sprang selbst nach. Seine Füße und
    Hände zitterten, er schlang
seine Arme um Quito. Langsam wurde er wieder ruhig. Ja, als er begann,
Lianenranken um die Balken zu winden, bereitete ihm das Kreischen der Affen
schon wieder Freude. »Der Fluß, der Sumpf und das Hochland«, sang er fröhlich,
»und dann sind wir bei Tante Jacinta und Onkel Juan.«
    Das Floß war fertig, bevor es
Abend wurde.

    Es war stark und fest. Pablo
band es mit einer dicken Ranke an eine Baumwurzel und stieß es ins Wasser.
Quito sprang mit einem Satz darauf, die Ziege Uyuni aber blieb zwischen den
Bäumen stehen. Pablo lockte sie.
    Längst hatte Uyuni die Angst
vor dem Jaguar und vor den Krokodilen vergessen. Sie war wieder die
eigensinnige, mutwillige Ziege. Quito lief vom Floß, um sie herbeizujagen. Aber
Uyuni trieb wie immer ihr Spiel mit ihm, hüpfte zur Seite, sobald er herankam,
senkte die Hörner und achtete nicht auf sein Bellen. Pablo kam Quito zu Hilfe,
aber Uyuni dachte nicht daran, ihm zu folgen.
    Endlich konnte Pablo sie an den
weißen Hörnern fassen. Er zog die Eigensinnige zum Ufer. Uyuni ließ sich ein
paar Schritte mitzerren, dann stemmte sie sich mit den Füßen fest in den Boden
und hob mit einer jähen Bewegung den Kopf. Pablo verlor den Halt und fiel in
das Farnkraut.
    Mit einem selbstbewußten
Meckern lief Uyuni in den Urwald. Pablo sah sie zwischen den Bäumen
verschwinden. Quito wollte ihr nachstürzen, aber Pablo hielt ihn fest. Es war
sinnlos, Uyuni zu jagen. Sie, die Widerspenstige, würde nur immer tiefer in den
Wald fliehen.
    Pablo und Quito setzten sich
ans Ufer, um zu warten, bis Uyuni freiwillig zurückkehrte. Pablo war wieder
sehr böse auf die Ziege. Die Sonne ging unter und färbte den Himmel, den Fluß
und die Wipfel der Bäume rot.
    Uyuni kam nicht.
    Das Grau der Dämmerung
verlöschte. Die Affen und die Vögel des Tages verstummten. Da stand Pablo auf,
ging in den Wald und rief Uyuni. Aber er fand sie nicht.

    »Morgen früh wird sie bei uns
sein«, tröstete sich Pablo.
    Pablo und Quito schliefen in
einem Nest aus wilden Weinranken, eingehüllt von rotleuchtenden Blüten. In
dieser Nacht störte kein Jaguar ihren Schlaf. Als sie am Morgen aufwachten, war
Uyuni noch immer verschwunden. Pablo war nun wirklich in Sorge um sie. Er
dachte an alle ihre Feinde, die nachts im Urwald jagten, an den Jaguar und an
die Wildkatzen. Sein Herz wurde schwer. Vielleicht war Großmutter Yacumas
eigensinnige Ziege schon tot.
    Pablo teilte sein Maisbrot mit
Quito. Sie suchten viele Stunden nach Uyuni. Als es Mittag wurde, sagte Pablo:
»Wir müssen über den Fluß fahren, Quito.«
    Der Hund sah ihn an und wedelte
mit seinem dünnen Schwanz. »Wir müssen über den Fluß fahren«, sagte Pablo noch
einmal.
    Er blickte zum Urwald und
sagte: »Uyuni kommt nicht zurück, Quito.«

    Mit hängenden Köpfen gingen sie
zum Floß, und Pablo stieß es mit der langen Stange vom Ufer. Die Strömung
erfaßte es sofort, aber der Fluß war hier breit und nicht sehr tief. Pablo
konnte überall den Grund erreichen und das Floß lenken. Die Wellen schlugen an
die Balken. Das Floß schaukelte. Riesengroß erschien der Fluß, wenn man auf
seiner Mitte war.
    Plötzlich sahen sie die Ziege
Uyuni am Ufer. Ohne zu zögern, sprang sie ins Wasser und folgte ihnen.
    Quito bellte freudig.
Eigentlich liebte Pablo die Ziege gar nicht. Und doch wurde er
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