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Otherland 4: Meer des silbernen Lichts

Otherland 4: Meer des silbernen Lichts

Titel: Otherland 4: Meer des silbernen Lichts
Autoren: Tad Williams
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her«, versicherte ihnen Orlando.
    »Wir … wir möchten einfach nur bei dir sein.« Vivien holte tief Atem und versuchte zu lächeln. »Ganz gleich, wo du bist.«
    »Ich bin froh, daß ihr hier seid.« Eine Weile stand er nur da und blickte sie an. Seine Unterlippe zitterte, doch dann rang er sich seinerseits ein Lächeln ab. »He, kommt euch das Haus angucken! Alle mitkommen!«
    Er setzte an loszugehen, drehte sich aber sofort wieder um und nahm Conrad und Vivien an der Hand. Er war viel größer als die beiden, und sie mußten fast laufen, um mit seinen langen Schritten mitzuhalten.
    Ramsey sah zu Sam Fredericks hinüber. Er reichte ihr sein virtuelles Taschentuch und gab ihr Zeit, davon Gebrauch zu machen, dann folgten sie der Familie Gardiner den Hügel hinauf.
     
     
    > »Du siehst viel besser aus als bei unserer letzten Begegnung«, sagte Calliope.
    Die Frau im Bett nickte. Ihr Gesicht war ausdruckslos, als ob jemand sorgfältig alles Leben darin ausradiert hätte. »Du auch. Ich staune, daß du überhaupt gehen kannst.«
    Calliope deutete auf die Plastahl-Röhren neben ihrem Stuhl. »Auf Krücken. Sehr langsam. Aber die Ärzte können heutzutage die reinsten Wunder vollbringen. Das wirst du auch schon gemerkt haben.«
    »Ich werde nicht gehen können, egal was sie machen.«
    Darauf ließ sich nicht viel entgegnen, aber Calliope versuchte es trotzdem. »Wäre es besser gewesen, zu sterben?« fragte sie sanft.
    »Ausgezeichnete Frage.«
    Calliope seufzte. »Tut mir leid, daß es dich so hart getroffen hat, Frau Anwin.«
    »Na ja, unverdient war’s nicht«, erwiderte die junge Frau. »Ich war kein Unschuldslamm. Ein Idiot, ja – aber kein Unschuldslamm.«
    »Niemand hat John Dread verdient«, sagte Calliope mit Nachdruck.
    »Kann sein. Aber er wird nicht kriegen, was er verdient hat, stimmt’s?«
    Calliope zuckte mit den Schultern, doch derselbe Gedanke brannte seit Tagen auch in ihr. »Wer kriegt schon je, was er verdient? Aber ich wollte dich noch was fragen. Was hast du eigentlich mit dem Pad gemacht, nachdem ich den Notruf durchgegeben hatte? Was hast du abgeschickt?«
    Die Amerikanerin machte langsam die Augen zu und wieder auf. »Einen Datenfresser.« Sie sah Calliopes verständnislose Miene. »Ein Ding, das Information vernichtet. Es hatte ein paar Stunden vorher mein halbes System gefressen, und ich hoffte, es würde ihn fertigmachen. Ich hab’s in seine eigenen … Dateien verpackt. Diese grauenhaften Bilder. Er sollte nicht gleich merken, was es ist.«
    »Vielleicht ist das die Ursache, daß er im Koma liegt.«
    »Ich wollte ihn umbringen«, sagte sie hart. »Qualvoll. Das ist gescheitert.«
    Sie saßen sich eine Weile schweigend gegenüber, doch als Calliope schließlich Anstalten machte aufzustehen, sprach die Frau plötzlich weiter. »Ich … ich hab was auf dem Gewissen.« Ein Ausdruck trat in ihre Augen, eine seltsame Mischung aus Furcht und Hoffnung. Calliope sah es mit Unbehagen. »Es … belastet mich schon lange. Es war in Cartagena …«
    Calliope hielt eine Hand hoch. »Ich bin keine Priesterin, Frau Anwin. Und ich will von dir nichts mehr über diesen Fall hören. Ich habe die Berichte gelesen und das Protokoll deines Gesprächs mit Detective Chan. Ich kann so gut zwischen den Zeilen lesen wie andere auch.« Sie unterband einen erneuten Versuch mit einem scharfen Blick. »Das mein ich ernst. Ich vertrete das Gesetz. Überleg es dir sehr genau, ob du wirklich reden willst. Wenn du dann weiterhin das Bedürfnis verspürst … dein Gewissen zu erleichtern oder so, kannst du jederzeit die Polizei in Cartagena anrufen. Aber ich kann dir sagen, daß die Gefängnisse in Kolumbien kein reines Vergnügen sind.« Sie milderte ihren Ton. »Du hast viel durchgemacht. Du wirst noch viel Zeit zum Nachdenken haben, bis du einigermaßen wiederhergestellt bist, und danach mußt du beschließen, was du mit dem Rest deines Lebens anfangen willst.«
    »Du meinst, weil ich meine Beine nie mehr gebrauchen kann, nicht wahr?« Das nicht zu überhörende Selbstmitleid ärgerte Calliope.
    »Ja, ohne deine Beine. Aber du bist am Leben, oder? Du hast die Chance zu einem neuen Anfang. Das ist mehr, als viele andere Leute haben. Das ist mehr, als Dreads andere Frauen hatten.«
    Einen Moment lang funkelte Dulcy Anwin sie an, und Calliope machte sich auf eine zornige Erwiderung gefaßt, doch die Amerikanerin schluckte herunter, was sie auf der Zunge hatte. Ihr Gesicht erschlaffte wieder. »Ja«, sagte sie. »Du hast
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