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Otherland 4: Meer des silbernen Lichts

Otherland 4: Meer des silbernen Lichts

Titel: Otherland 4: Meer des silbernen Lichts
Autoren: Tad Williams
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haben ein Buschfeuer angezündet, um mich ins Freie zu treiben. Er war so von Wut und Verzweiflung erfüllt, daß er am liebsten aufgesprungen wäre und zum Himmel geschrien hätte. Warum ließen sie ihn nicht in Ruhe? Tage, Wochen, Monate – er hatte jedes Zeitgefühl verloren. Er war mit seiner Kraft am Ende.
    Aber er durfte nicht aufgeben – was sie mit ihm machen würden, war zu schrecklich. Er durfte sich nicht von der Furcht in die Knie zwingen lassen. Niemals!
    Die Rauchschwaden umringelten ihn, krümmten sich wie lockende Finger. Er hörte jetzt den Lärm näher kommen, nicht nur von hinten, sondern auch von links, die schrillen Schreie, die auf dem flammenheißen Wind heranwehten. Er rappelte sich todmüde auf und machte ein paar humpelnde Schritte durch das dichte Gestrüpp. Sie trieben ihn aus dem Eukalyptuswald zurück in die leere Wüste. Das Licht war trübe – es war die ganze Zeit so trübe! Wo war die Sonne hin? Wo war das Tageslicht, das diese scheußlichen Bestien zwingen würde, sich in der Erde zu verkriechen, das ihm gestatten würde, sich auszuruhen?
    Es dämmert schon ewig! wollte er protestieren. Das ist nicht fair! Doch während er sich noch über die ungeheuerliche Grausamkeit des Universums empörte, hörte er dicht hinter sich ein hustendes Bellen. Er taumelte aus dem nutzlos gewordenen Unterschlupf hinaus ins Offene. Die graugelbe Steinfläche, die sich vor ihm erstreckte, drohte ihm gnadenlos die nackten Füße zu zerschneiden, doch er hatte keine Wahl. Schwitzend und bereits erschöpft, obwohl die Jagd gerade erst wieder losging, rannte er in die Salzpfanne hinunter und in das tote, kahle Land hinaus.
    Die Schreie hinter ihm wurden lauter, unmenschliche Stimmen, die ausgelassen juchzten und wie Aaskrähen kreischten. Er schaute sich um, obwohl er wußte, daß das ein Fehler war, daß ihr Anblick ihn nur schwächen konnte. Umzüngelt von den Flammen des Buschfeuers kamen sie in langen Sätzen aus dem Gehölz, aus dem er kurz vorher erst geflohen war, lachten und gackerten, als sie ihn erspähten, eine Meute gräßlicher Schatten aus den Geschichten seiner Mutter, einige in Tiergestalt, andere nicht, aber alle durchweg riesenhaft und furchtbar anzuschauen. Alle weiblich.
    Seine Mutter führte johlend die Meute an, die Traumzeitschlampe persönlich, wie immer die erste und wildeste mit ihren böse funkelnden Dingoaugen und ihrem weit aufgerissenen haarigen Dingomaul, das ihn hinunterschlingen wollte in ihr grausiges rotes Inneres. Hinter ihr kam das Hurenaas Sulaweyo mit ihrem scharfen Speer, daneben die Fotzen Martine und Polly, die irgendwie zu einem einzigen steinäugigen, blinden, unbarmherzigen Monster zusammengewachsen waren. Und hinter diesen wiederum stürmten die ganzen anderen durch den wallenden Rauch – das hungrige Rudel der Mopaditi, der namenlosen, nahezu gesichtslosen Toten. Aber sie brauchten keine Gesichter. Die toten Frauen hatten schreckliche Klauen und scharfe Reißzähne und Beine, die ewig laufen konnten, ohne je zu ermüden.
    Sie jagten ihn Stunde für Stunde, Tag für Tag, Woche für Woche. Sie würden ihn immer jagen.
    Weinend wie ein von Albträumen geplagtes Kind, wimmernd vor Erschöpfung und Schmerzen und Grauen, rannte Johnny Wulgaru nackt durch die dürren Weiten der Traumzeit und suchte verzweifelt ein Versteck, das es nicht gab.
     
     
    > Sie zog ihn in einen kleinen Park gegenüber vom Krankenhaus, obwohl sie gar nicht genau wußte, warum. Die Strahlen des Abendlichts fielen lang zwischen den Häusern hindurch, und die Vorstellung, geblendet von dem harten Licht in einem Taxi zu sitzen und in die Pension zurückzufahren, deprimierte sie. Sie wollte schlafen, aber sie wollte auch reden. Im Grunde genommen wußte sie nicht mehr, was sie wollte.
    Sie setzten sich auf eine Bank am Weg, neben einem kleinen, aber erstaunlich gepflegten Blumenbeet. Eine Schar Kinder spielte auf der anderen Parkseite auf einer Bank, von der sie sich lachend gegenseitig hinunterschubsten. Eines purzelte auf den Asphaltweg, doch als Renie gerade reflexhaft aufstehen wollte, sprang das kleine Mädchen schon wieder auf die Füße und machte sich wild entschlossen daran, ihren Platz auf der Bank zurückzuerobern.
    »Heute hat er besser ausgesehen, fandest du nicht?« fragte Renie. »Ich meine die Art, wie er gelächelt hat – das war ein echtes Stephenlächeln.«
    »Er macht wirklich einen besseren Eindruck.« !Xabbu beobachtete nickend die Kinder. »Eines Tages würde ich dir
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