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Otherland 2: Fluß aus blauem Feuer

Otherland 2: Fluß aus blauem Feuer

Titel: Otherland 2: Fluß aus blauem Feuer
Autoren: Tad Williams
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Er fürchtete sich vor Gelbauge, denn dieser war grausam und stark und viel schlauer als Langnase oder die Höhlenmutter. Der Urmann wußte, daß die zerbrochenen, abgenagten Knochen vieler anderer Tiermenschen vor Gelbauges Bau lagen. Doch er hörte zu, als die Urfrau ihm die Gedanken sagte, die in ihrem Bauch waren.
    ›Ich werde tun, was du sagst‹, erklärte er schließlich. ›Wenn ich es nicht versuche, werden wir doch auf jeden Fall umkommen, und die Dunkelheit wird uns holen.‹«
     
    Die Flammen flackerten unter einem Windstoß, der kalt durch den Raum schnitt. Paul schlotterte und zog seine Felle fester um sich. Er wurde allmählich schläfrig, und es fiel ihm schwer, klar zu denken. Alles war so seltsam. Hatte er diese Geschichte nicht schon irgendwo einmal gehört? Aber wie hätte das sein können?
    Die Höhle wurde dunkler, bis die Glut alle Zuhörer in rot beschienene Gespenster verwandelte. Die brüchige Stimme von Dunkler Mond schwoll an und ab, während sie das Lied vom Feuerdiebstahl sang.
     
    »Der Urmann begab sich zu der Stätte vieler Knochen, wo Gelbauge lebte. Er sah die hellen Augen schon aus weiter Ferne, doch Gelbauge sah ihn noch eher.
    ›Was willst du?‹ fragte er den Urmann. ›Wenn du es mir nicht sagst, werde ich dich in meinem Maul zermalmen.‹ Gelbauge zeigte dem Urmann seine schrecklichen Zähne.
    ›Ich bin gekommen, weil ich einen Handel mit dir schließen will‹, sagte der Urmann. ›Ich möchte gern das warme, helle Ding haben, das du besitzt.‹
    ›Und was willst du mir dafür geben?‹ fragte Gelbauge. Seine Augen leuchteten ein wenig heller.
    ›Ein Kind‹, sagte der Urmann. ›Die Kälte ist so groß, daß es sowieso umkommen wird, wenn wir nicht etwas von deinem warmen, hellen Ding bekommen.‹
    Gelbauge leckte sich die Lippen und knackte mit seinen schrecklichen Zähnen. ›Du willst mir dein Kind für ein bißchen von meinem Feuer geben?‹
    Der Urmann nickte.
    ›Dann leg das Kind dorthin, wo ich es sehen kann‹, wies Gelbauge an, ›und ich werde dir geben, was du begehrst.‹
    Der Urmann langte in seine Felle und holte das Kind aus Lehm hervor, das die Urfrau mit ihren geschickten Händen geformt hatte. Er legte dieses Kind vor Gelbauge nieder.
    ›Es ist sehr still‹, sagte Gelbauge.
    ›Es fürchtet sich vor deinen Zähnen‹, erwiderte der Urmann.
    ›Das ist gut‹, sagte Gelbauge und riß seinen Rachen weit auf. ›Faß in mein Maul, und du wirst finden, was du begehrst.‹
    Der Urmann fürchtete sich sehr, aber er trat dicht an Gelbauges Maul heran, das den Geruch des Todes ausströmte.
    ›Faß in mein Maul‹, sagte Gelbauge noch einmal.
    Der Urmann steckte seinen Arm tief in Gelbauges Maul, an den schrecklichen Zähnen vorbei und durch die lange Kehle. Zuletzt langte er etwas sehr Heißes an und schloß seine Hand darum.
    ›Nimm nur ein wenig‹, sagte Gelbauge.
    Der Urmann zog seine Hand zurück. Darin hatte er etwas Gelbes, das sich im Wind neigte, aber nicht wegwehte, das keinen Mund hatte, aber ihm in die Haut biß, da er es hielt. Der Urmann warf einen Blick auf Gelbauge und sah, daß dieser das Kind aus Lehm beschnüffelte, und da lief der Urmann los, das warme gelbe Ding fest in der Hand.
    ›Das ist gar nicht dein Kind!‹ schrie Gelbauge erbost. ›Du hast mich getäuscht, Urmann.‹
    Gelbauge nahm die Verfolgung auf. Der Urmann rannte, so schnell er konnte, aber er hörte, wie sein Feind immer näher kam. Das warme Zauberding war sehr schwer in seiner Hand und biß ihm in die Haut, deshalb warf der Urmann es von sich, hoch in die Luft. Es flog an den Himmel und blieb dort hängen und erfüllte die Welt mit Licht. Gelbauge schrie abermals und rannte schneller, doch der Urmann erreichte die Höhle, wo er mit der Urfrau wohnte, und lief hinein. Sie schoben einen Stein in die Öffnung, damit Gelbauge sie nicht erwischen konnte.
    ›Ihr habt mich betrogen, das werde ich nicht vergessen‹, schrie Gelbauge. ›Und wenn ihr ein richtiges Kind bekommt, werde ich es euch wegnehmen.‹
    Der Urmann lag völlig entkräftet auf dem Boden der Höhle. Die Urfrau sah, daß er noch ein klein wenig von dem warmen, hellen Ding an der Hand hängen hatte. Sie strich es mit einem Stock ab, und als es anfing, den Stock zu fressen, wurde es größer und wärmte die ganze Höhle. Das war das Feuer.
    Von dem Tag an waren die Finger des Urmanns nicht mehr alle gleich wie bei den andern Tiermenschen. Ein Finger an jeder Hand war abgebogen, weil er das heiße Feuer
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