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Otherland 1: Stadt der goldenen Schatten

Titel: Otherland 1: Stadt der goldenen Schatten
Autoren: Tad Williams
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räderknirschende Finsternis.
     
     
    > »Laß das, du Blödmann!«
    Paul wehrte sich, aber irgendwer oder -was hielt seine Arme fest. Er bäumte sich noch einmal auf und erschlaffte dann.
    »Schon besser. Hier – nimm mal ’nen Schluck.«
    Etwas rieselte ihm in den Mund und brannte die Kehle hinunter. Er bekam einen Hustenanfall und fuhr ungestüm hoch. Diesmal wurde er gelassen. Jemand lachte.
    Er schlug die Augen auf. Vor dem Schlamm der Schützengrabenwand und einem Streifen Himmel saß Finch neben ihm, beinahe auf ihm drauf.
    »Wird schon wieder.« Finch schraubte den Flachmann zu und steckte ihn in die Tasche. »Bloß ein kleiner Bums auf den Kopf. Reicht leider nicht aus, um dich nach Hause zu schicken, alter Junge. Immerhin wird Mullett sich freuen, dich zu sehen, wenn er vom Töpfchen zurückkommt. Ich hab ihm schon gesagt, du wärst bald wieder auf dem Damm.«
    Paul lehnte sich zurück, den Kopf voll wirrer Gedanken.
    »Wo …?«
    »In einem der hinteren Gräben – ich glaub, ich hab dieses Scheißding vor zwei Jahren selber gegraben. Der Fritz war plötzlich der Meinung, der Krieg wär doch noch nicht aus. Er hat uns ein ziemliches Stück zurückgeworfen – weißt du nicht mehr?«
    Paul haschte nach den verwehenden Fetzen seines Traumes. Eine Frau mit Federn wie ein Vogel, die von einem Gral gesprochen hatte. Ein Riese wie eine Lokomotive, ein Ungetüm aus Metall und heißem Dampf. »Und was ist passiert? Mit mir?«
    Finch langte hinter ihn und angelte sich Pauls Helm. Er war oben an einer Seite eingedellt. »Ein Stück Schrapnell. Aber zum Heimtransport nicht genug. Kein Glück, was, Jonesie?«
    Also war alles ein Traum gewesen. Nur eine Halluzination nach einer geringfügigen Kopfverletzung. Paul blickte Finchs altvertrautes Gesicht an, seinen angegrauten Schnurrbart, die müden Augen hinter stahlumrandeten Brillengläsern, und wußte, daß er wieder da war, wo er sein sollte, in der schlammigen, blutigen Patsche. Klarer Fall. Der Krieg ging weiter, ohne Rücksicht auf Soldatenträume, eine vernichtende Realität, gegen die keine andere Realität ankam.
    Paul tat der Kopf weh. Er hob eine schmutzige Hand, um sich die Schläfe zu reiben, und dabei flatterte ihm etwas aus dem Ärmel in den Schoß. Er schaute rasch zu Finch hinüber, aber der andere Mann wühlte in seiner Feldtasche nach einer Dose Corned beef und hatte nichts gesehen.
    Er hob das Ding auf und ließ die letzten Sonnenstrahlen darauf fallen. Die grüne Feder funkelte – unglaublich real, unglaublich leuchtend und vollkommen unberührt vom Schlamm.

Eins
Das Universum nebenan
    bedauert dies gehetzte UnTier Mensch
     
    nicht. Fortschritt ist eine kommode Krankheit:
    das Opfer (Tod und Leben ausgeklammert)
     
    spielt mit der Größe seiner Kleinheit
    - zur Bergkette vergotten Elektronen
    eine Rasierklinge, und Linsen werfen
     
    den Unwunsch durchs gekrümmte Wowann wieder
    auf sich unselbst zurück.
     
    Die Welt der Mache
    ist keine Welt des Werdens – nein, bedauert
     
    Fleisch Bäume Sterne Steine, aber nie
    dies Prachtstück hypermagischer Ultra-
     
    Omnipotenz. Wir Ärzte wissen, wann
     
    ein Fall unheilbar … Hör mal: nebenan
    gibt’s ein saugutes Universum; komm.
     
    e. e. cummings

Kapitel
Mister Jingos Lächeln
    NETFEED/NACHRICHTEN:
    Massaker wegen eines defekten Chips
    (Bild: Kaschiwili in Fesseln bei der Anklageerhebung)
    Off-Stimme: Im Verhaltenschip des Sträflings Aleksander Kaschiwili sei ein unerwarteter Defekt aufgetreten, wurde heute von amtlicher Seite bekanntgegeben, nachdem der modkontrolliert in Hafturlaub entlassene Kaschiwili -
    (Bild: mehrere Feuerwehr- und Krankenwagen vor verbrannter Ladenfassade)
    - im Großmoskauer Stadtteil Serpuchow 17 Gäste eines Restaurants mit einem Flammenwerfer getötet hatte.
    (Bild: Doktor Konstantin Gruchow in seinem Universitätsbüro)
    Gruchow: »Die Technik ist noch im Frühstadium. Unfälle sind nicht auszuschließen …«
     
    Einer der anderen Dozenten stieß die Tür der Bürozelle auf und beugte sich hinein. Der Lärm vom Korridor kam mit hereingeschwappt, lauter als gewöhnlich.
    »Bombendrohung.«
    »Schon wieder?« Renie stellte ihr Pad auf den Tisch und nahm ihre Tasche. Dann fiel ihr ein, wie viele Sachen während des letzten Alarms auf Nimmerwiedersehen verschwunden waren, und sie griff sich noch das Pad, bevor sie in den Flur trat. Der Mann, der ihr Bescheid gesagt hatte – sie konnte sich einfach seinen Namen nicht merken, Yono Soundso –, war ihr mehrere
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