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Ostwind (German Edition)

Ostwind (German Edition)

Titel: Ostwind (German Edition)
Autoren: Carola Wimmer
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kleinerer Mädchen, die das Training mit glänzenden Augen beobachteten. Es war offensichtlich: Alle wollten so sein wie das Mädchen auf dem weißen Pferd.
    Mika sah wieder auf die Reiterin. Der Ehrgeiz quoll förmlich aus ihr heraus. »Ich versuch’s gleich noch mal!«, rief sie verbissen. »Er nimmt einfach die Beine nicht …«
    Aber Maria Kaltenbach unterbrach sie sofort kopfschüttelnd: »Nicht er! Du!«
    In diesem Moment hupte Sam und brachte den Traktor zum Stehen. Alle Köpfe drehten sich abrupt zu ihnen herum. Mika war die plotzliche Aufmerksamkeit sehr unangenehm. Schnell sprang sie vom Traktor herunter. Auch Mikas Großmutter verließ ihren Posten. Mika sah, dass sie sich beim Gehen auf einen Stock stützte und schwer hinkte. Hinter dem Gatter, mit einiger Distanz, blieb sie stehen. Eine herzliche Umarmung war offensichtlich nicht geplant.
    »Du bist also Mika«, sagte Mikas Großmutter und musterte Mika von oben bis unten. »Ein ziemlicher Satansbraten … was man so hort«, sagte sie. »Und groß bist du geworden.«
    »Kleiner wär auch komisch«, entfuhr es Mika.
    Mikas Großmutter zog eine Augenbraue hoch. Die Pferdemädchen hielten den Atem an. Es war offensichtlich, dass man so nicht mit Frau Kaltenbach sprach!
    Doch nach einer langen Sekunde lächelte Mikas Großmutter. Mikas Antwort hatte sie offenbar amüsiert. »Stimmt«, sagte sie.
    In diesem Moment erschien die junge Reiterin vom Reitplatz auf ihrem Wallach neben ihnen. »Soll ich dann noch mal den Oxer probieren?«, fragte sie ungeduldig.
    »Nein, Michelle, wir lassen es fur heute«, entschied Mikas Großmutter. Dann bat sie Sam, Mika ihr Zimmer zu zeigen.
    »Wir sehen uns gleich beim Abendessen«, sagte sie zu Mika gewandt. »Versuch solange nichts anzuzunden.«
    Mika grinste schuldbewusst.
    »Und vielleicht mochtest du dich zum Abendessen noch umziehen«, fügte Mikas Großmutter mit kritischem Blick auf Mikas Klamotten hinzu, bevor sie Richtung Stall davonging.
    Mika schaute ratlos an sich hinab. »Wieso umziehen?«, fragte sie.
    Als sie wieder aufblickte, stand völlig unerwartet der hübsche weiße Wallach direkt vor ihr und sah sie durch lange Pferdewimpern neugierig an. Oben auf saß Michelle, umringt von den kleinen Pferdemädchen.
    Michelle taxierte Mika. » Du bist Frau Kaltenbachs Enkelin?«, fragte sie schließlich.
    »Ja, äh und du?«, fragte Mika. Vorsichtig streichelte sie die Pferdenase. Wie weich das war!
    »Hallo, Pferd!«, sagte Mika. Der Wallach schnaubte.
    Michelle ignorierte Mikas Gegenfrage. »Und? Welche Klasse?«, wollte sie wissen.
    Mika biss die Zähne zusammen. Es war ihr unangenehm hier vor all den Mädchen Rede und Antwort zu stehen. Vor allem wenn es um ihre schulischen Leistungen ging.
    »8te … ah … 7te. Ehrenrunde«, gestand sie schließlich.
    Michelle lachte auf. Auch die anderen Mädchen lachten. Mika war verwirrt.
    Ein etwa achtjähriges Mädchen namens Tinka kam Mika zu Hilfe. »Sie meint, welche Leistungsklasse«, flüsterte sie und deutete auf den Reitplatz.
    Mika holte erleichtert Luft. »Ach so. Dann KNR!«
    Die Pferdemadchen schauten sich ratlos an.
    »KNR?«, wiederholte Michelle.
    »Kann Nicht Reiten«, erklärte Mika fröhlich.
    Nun starrten die Pferdemadchen Mika unglaubig an. Eine Außerirdische! Dass es so etwas gab! Michelle verlor unter diesen KNR-Umständen augenblicklich das Interesse an Mika.
    »Na dann noch viel Spaß auf Kaltenbach«, sagte sie kühl und wandte sich zu den Pferdemädchen. »Wer …«, fragte sie. Doch weiter kam sie nicht. Das Mädchen, das Mika eben so freundlich beigesprungen war, hatte bereits den Arm hochgerissen. »Kann ich absatteln?«, rief sie atemlos.
    Michelle ignorierte Tinkas Meldung und vollendete in aller Ruhe ihren Satz, »… will Weingraf absatteln?«
    Nun rissen alle die Arme hoch und drängten sich um Michelle. »Ich! Ich! Ich!«, erscholl es von allen Seiten.
    Michelle schwang sich vom Pferd, druckte Tinka die Zugel in die Hand und ging davon. Rund um Tinka zeigten sich enttäuschte Gesichter. Tinka hingegen sah aus, als sei sie gerade mit einem Ehrenpreis ausgezeichnet worden.
    Sam wurde ungeduldig. »Kommst du? Ich hab nicht den ganzen Tag Zeit«, sagte er. Mika strich Weingraf noch einmal liebevoll über das Fell, dann schnappte sie sich ihren Rucksack und folgte Sam.
    Kaum hatte sie das Haus betreten, hielt sie überrascht inne. Alles war hier so anders! Gut Kaltenbach war ganz klar kein Straflager. Und wenn doch, dann ein stinkvornehmes.
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