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Ostwind (German Edition)

Ostwind (German Edition)

Titel: Ostwind (German Edition)
Autoren: Carola Wimmer
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in die einzelnen Boxen, doch die Pferde schliefen allesamt. Nur aus der hintersten Box drangen Geräusche. Nervöses Hufgeklapper, schließlich wieder das Wiehern.
    Langsam wanderte Mika die Stallgasse entlang zur letzten Box. Sie war mit eng stehenden Gitterstäben versehen.
    Mit zusammengekniffenen Augen spahte sie in die Dunkelheit. Da tauchte ein funkelndes Augenpaar nur wenige Zentimeter direkt vor ihrem Gesicht auf. Sie gehörten einem Pferd mit einem weißen Fleck auf der Stirn. Einen langen Augenblick wurde Mika von ihm genau gemustert. Auch Mika betrachtete das Pferd aufmerksam.
    »Na? Kannst du auch nicht schlafen?«, fragte Mika schließlich.
    Das Pferd antwortete mit einem leisen Schnauben. Mika wollte ihm ihren angebissenen Apfel geben. Doch er passte nicht durch das enge Gitter. Mika schob kurzerhand die Tür ein Stuck auf und schlupfte in die Box. Obwohl das Pferd deutlich größer und kräftiger war als sie selbst, verspürte Mika keine Angst. Im Gegenteil. Es war der dunkle Hengst, der ein paar Schritte zurückwich. Er sah Mika fragend an. Mika setzte sich auf einen der Strohballen, die seitlich an der Box gestapelt standen. Mit ausgestreckter Hand hielt sie dem Pferd den Apfel entgegen. Das Pferd schien Vertrauen zu fassen. Vorsichtig schnupperte es in die Luft, dann machte es einen Schritt vorwarts, dann noch einen. Schließlich nahm es den Apfel mit dem Maul behutsam aus Mikas Hand und kaute geräuschvoll.
    »Auch Pech mit dem Essen gehabt?«, fragte Mika amüsiert.
    Wie als Antwort knuffte sie der Hengst mit seiner weichen Pferdenase.
    Plötzlich merkte Mika, wie müde sie war. Der lange Tag in der Bahn, all die neuen Eindrücke sorgten nun endlich für eine schlagartige Schläfrigkeit. Mika gahnte und streckte sich auf dem Strohballen aus.Dann war sie auch schon eingeschlafen. Dass sie von dem großen Pferd neugierig beschnuppert wurde, bekam sie schon nicht mehr mit. Die ganze Nacht blieb das Pferd neben ihr, als wollte es ihren Schlaf bewachen.
    Ein schrager Streifen Sonnenlicht fiel in die Box, Mika lag noch immer tief schlafend auf dem Heuballen. Da zerriss ein scharfes Pfeifen die Luft. Das Pferd neben ihr stohnte auf. Mika kam langsam zu sich. Sie offnete die Augen, gerade als dem Hengst die Vorderbeine einknickten und er schwer zu Boden sackte.
    »Volltreffer«, sagte eine Stimme.
    Mika fuhr herum. Hinter den Gitterstaben stand ein Mann, der ein Gewehr sinken ließ. Sofort war Mika hellwach.
    »Hey! Was soll das?«, rief sie panisch. Rasch rollte sie sich von ihrem Lager und sank zu dem Pferd auf die Knie. »Was haben sie mit ihm gemacht!?«, rief sie aufgebracht.
    »Keine Sorge, ist nur eine Betaubung«, sagte der Mann. »Ich bin Dr. Anders, der Tierarzt.«
    Mika beugte sich über den schwarzen Hengst, um ihm den Betaubungspfeil aus dem Fleisch zu ziehen. Doch da packten sie zwei starke Arme und hoben sie einfach hoch. Als sie wieder abgestellt wurde, sah sie sich dem angstverzerrten Gesicht ihrer Großmutter gegenuber.
    »Herr Anders, ist sie verletzt?«, fragte Maria Kaltenbach.
    »Alles dran, wie es aussieht«, sagte der Tierarzt. »Hat nur geschlafen.«
    Erst als Herr Anders zurück in die Box ging, um Ostwind abzuhorchen, bemerkte Mika, dass ihre Großmutter in höchstem Maße aufgebracht war.
    »Du hattest tot sein konnen!«, schimpfte sie.
    Mika wusste nicht, was sie sagen sollte. Eigentlich wusste sie nicht einmal, was sie falsch gemacht hatte. Verzweifelt suchte sie nach Worten.
    In diesem Moment bog Sam mit einer Schubkarre um die Ecke. »Was ist denn hier los?«, fragte er verwundert, als er seine Chefin mit Mika sah.
    Maria Kaltenbach fuhr wutentbrannt zu ihm herum. Sie ließ ihren Zorn nun an Sam aus. » Das wurde ich auch gerne wissen! Es liegt ja wohl in deiner Verantwortung, dass diese Box immer verschlossen ist!«, rief sie.
    Eingeschuchtert wich Sam zuruck. Er sah von Mika zu dem schwarzen Hengst und wieder zu Mika. »Sie war da drin?«, fragte er verständnislos.
    »Ich bin nur eingeschlafen!«, mischte sich Mika ein.
    Sam verstand jetzt erst recht nichts mehr. Er schaute fragend zu Mika. »Du bist was?«
    »Eingeschlafen«, wiederholte Mika. »Warum ist das denn so schlimm?«
    Maria Kaltenbach seufzte hörbar und stutzte sich auf ihren Stock. Sie sah plotzlich sehr mude aus. »Dieses Pferd ist gefahrlich. Du hast einfach nur großes Gluck gehabt. Mehr als Verstand«, erklärte sie. Dann wandte sie sich an Sam: »Tu mir den Gefallen, lass meine Enkelin nicht mehr aus
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