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Ostseefluch

Titel: Ostseefluch
Autoren: Eva Almstädt
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Eltern des Opfers? Ein Irrtum wäre fatal. Weder draußen am Tor noch neben der soliden Eingangstür war ein Namensschild angebracht. Stattdessen fühlte Broders das Objektiv einer Kamera auf sich gerichtet.
    »Bist du dir sicher, dass die Ingwers hier wohnen?«, vergewisserte er sich halblaut bei seinem Begleiter.
    Der junge Kollege von der Schutzpolizei in Burg nickte, das jugendlich glatte Gesicht in erzwungener Ausdruckslosigkeit erstarrt. Im Auto auf der kurzen Fahrt hierher hatte er Broders erzählt, dass er die Familie Ingwers zumindest vom Sehen kannte. Rudolf Ingwers sei ein bekannter Unternehmer, ihm gehöre eine große Gärtnerei. Außerdem sei sein jüngster Bruder mit Milena Ingwers zusammen konfirmiert worden.
    Broders hörte die Anspannung in seiner Stimme. Sie erinnerte ihn an seine Anfangszeit bei der Polizei: der Horror davor, Angehörigen eine Todesnachricht überbringen zu müssen. Noch schlimmer war es, wenn man die Leute kannte. Aber der Kollege war der Ansicht gewesen, dass auf jeden Fall ein Insulaner dabei sein sollte, nicht nur die Polizei vom Festland. »Vom Festland« – Fehmarn war eine Insel, das vergaß man schnell, wenn man über die Brücke hierhergefahren war.
    Die Tür öffnete sich, und ein Mann Anfang fünfzig musterte sie. Bei ihrem Anblick verriet sein Gesicht erst Erstaunen, dann eine böse Vorahnung.
    Das wird hier heute nicht leicht werden, dachte Heinz Broders. »Sind Sie Rudolf Ingwers?«
    Der Mann nickte und sah beunruhigt von einem zum anderen. Er war mittelgroß, stämmig gebaut und hatte braune Augen – und er färbte sein Haar.
    Broders war sich sicher, dass das dunkle Braun nicht echt sein konnte. Es hatte die Farbe von Bitterschokolade, neunzig Prozent Kakao, von der er Herzrasen bekam. Broders stellte sich und seinen Kollegen vor und bat darum, einen Moment eintreten zu dürfen.
    »Ist etwas mit Milena?«, fragte Ingwers sofort. Sein Blick wanderte zu Broders’ Begleiter, der merklich zuckte.
    »Ist Ihre Frau auch zu Hause?«
    »Judith?«
    Hatte er mehrere? »Ihre Ehefrau. Ist sie hier?«, wiederholte Broders.
    »Äh, sie ist im Moment nicht zu sprechen. Sie sollten zuerst mit mir reden.« Er führte sie ins Haus. In der großzügigen Diele verharrte er an einem runden Tisch, offenbar unsicher, ob er den Beamten einen Platz anbieten sollte oder nicht.
    »Wir haben vorhin die Leiche einer jungen Frau auf Mordkuhlen aufgefunden«, sagte Broders’ Kollege entschlossen. Es war das erste Mal, dass Heinz Broders diesen Namen hörte: Mordkuhlen. Das war seltsam ... geradezu grotesk. »Es tut mir leid, aber es handelt sich bei der Toten aller Wahrscheinlichkeit nach um Ihre Tochter Milena«, fuhr der junge Beamte fort. Ohne Umschweife, geradeheraus, so hatte man es ihnen auf der Polizeischule beigebracht.
    »Nein.« Ingwers starrte die Polizisten an. Seine Hand umkrampfte die Lehne eines Stuhls, den er eben hatte hervorziehen wollen. »Sind Sie sicher? Ich meine, kennen Sie meine Tochter überhaupt?«
    »Ein Mitbewohner auf Mordkuhlen hat sie identifiziert.«
    »Was ist mit ihr passiert? Sagen Sie schon.«
    Rudolf Ingwers schien der Typ zu sein, der gern den Ton angab. Selbst jetzt, da er offensichtlich unter Schock stand, versuchte er, die Gesprächsführung an sich zu ziehen.
    »Setzen Sie sich doch erst einmal. Wir werden alle Ihre Fragen dazu beantworten«, sagte Broders beschwichtigend.
    Immerhin, Ingwers ließ sich auf einen der Stühle sinken. Auf seiner Oberlippe standen Schweißperlen, sein gebräuntes Gesicht war blass geworden.
    Broders und der Kollege nahmen ebenfalls Platz.
    »Milena kann nicht tot sein!« Ingwers hob die Faust und ließ sie krachend auf den polierten Kirschholztisch niedersausen. Er schüttelte leicht den Kopf, als wäre er über seine eigene Reaktion erstaunt. Dann sagte er mühsam beherrscht: »Sie ist doch fast noch ein Kind! Sie hat ihr Leben noch vor sich! Was ... was ist mit ihr passiert? War es ein Unfall?«
    »Wir müssen davon ausgehen, dass sie ermordet worden ist. Wahrscheinlich wurde sie erschlagen.«
    »Was? Wo?«
    »Im Garten des Hauses. Ein Mitbewohner hat sie gefunden.«
    »War er es? Hat er ihr das angetan?« Rudolf Ingwers’ Stimme wurde heiser.
    »Wir wissen noch nicht, wer es getan hat.«
    Ingwers stand auf und ging ein paar Schritte auf und ab. Er rang mit den Händen und drehte sich dann abrupt wieder zu Broders um. »Und wann ist das passiert?«
    »Gefunden wurde sie heute Mittag gegen vierzehn Uhr.«
    »Ich war
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