Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Organic

Organic

Titel: Organic
Autoren: Alex Kava
Vom Netzwerk:
Pasha mit seinen langen, schlanken Fingern jedes Röhrchen vorsichtig in die Zentrifuge stellte, seinen großen, hageren Körper über den Apparat gebeugt. Er arbeitete langsam, als wolle er ein Meisterwerk schaffen, jede Bewegung voller Sorgfalt und Gewissenhaftigkeit.
    Sabrinas eigene Proben befanden sich gerade im Destillierapparat am hinteren Ende des Labors, ein riesiges Gerät, das noch eine halbe Stunde summen und vibrieren musste, bevor sie wieder einen Blick darauf werfen konnte. Sie sah auf ihre Armbanduhr und steckte die Hände in die ausgebeulten Tasehen ihres Laborkittels.
    „Vielleicht hat er eine Affäre“, schlug Anna Copello vor. „Sie wissen schon, so eine, bei der man sich heimlich von der Arbeit davonstiehlt, damit die eigene Frau zu Hause nichts davon mitbekommt.“
    Sabrina wusste, dass es auch das nicht sein konnte, jedenfalls nicht der Teil mit der Ehefrau. Aber es überraschte sie nicht, dass Anna mit so einer Erklärung aufwartete. Die junge Frau vermutete hinter allem immer nur das Schlechteste. Sabrina sah zu Michael O’Hearn hinüber. Er war der Älteste im Team, ein durchtrainierter, kompakter kleiner Mann mit wirren schwarzen Haaren und Spitzbart, der schon fast ganz grau war. Er kannte ihren Chef wohl am besten. Trotz seiner dicken Schutzbrille konnte sie sehen, wie er in Richtung Anna die Augen verdrehte.
    „Das kann ich mir nicht vorstellen“, sagte er dann. „Ich glaube, seine Frau ist letztes Jahr gestorben.“
    Sabrina wusste, dass auch das nicht stimmte, und sah O’Hearn verwundert an. Wieso wusste er nicht Bescheid?
    „Oh, wie schrecklich“, hauchte Anna, und selbst Pasha schaute kurz von seinen Reagenzgläsern auf. „Warum hat er uns denn nichts davon erzählt?“
    „Das ist seine Privatsache“, erwiderte O’Hearn. „Wenn Sie aufgepasst hätten, wüssten Sie, dass er erzählt hat, seine Frau sei nicht mehr da.“
    Sabrina flüchtete sich in eine Ecke und tat so, als wolle sie die Kontrollanzeigen des Destillierapparates überprüfen. Sie konnte es kaum fassen, wie wenig ihre Kollegen über ihren Chef wussten. Gerade O’Hearn. So viel sie wusste, waren die beiden schon vor ihrer Zeit bei EcoEnergy Kollegen gewesen. Sabrina arbeitete am kürzesten von allen mit Dwight Lansik zusammen und wusste offenbar als Einzige, dass er keine Kinder hatte und dass seine Frau nicht tot war, auch wenn es sie tatsächlich nicht mehr an seiner Seite gab.
    Aber Sabrina hatte die Wahrheit eher zufällig herausgefunden. Kurz nachdem sie ihre Stelle angetreten hatte, war sie an einem Sonntag frühmorgens gekommen, was weder für sie noch für Lansik ungewöhnlich war. An jenem Sonntag jedoch hatte sie Lansik schlafend auf dem blauen Sofa in seinem Büro vorgefunden. Und auch sein Bademantel, seine Zahnbürste und die Hausschuhe waren da gewesen, als ginge das schon seit Längerem so. Er hatte dann auch widerstrebend zugegeben, dass er nicht mehr gern zu Hause war, seitdem seine Frau nicht mehr da war.
    Zuerst hatte auch Sabrina vermutet, dass seine Frau gestorben war. Er sprach stockend, aber mehr nach der Art eines Witwers als eines verlassenen Ehemannes. Doch zwischen den Papieren auf seinem Schreibtisch hatte Sabrina auch zerknitterte ziemlich offiziell aussehende Dokumente gesehen, auf denen sie das Wort „Scheidung“ hatte erkennen können.
    Allerdings ging es Sabrina rein gar nichts an. Lansik war ihr Chef, kein Freund oder Familienmitglied. Was sich in seinem Privatleben abspielte, war ... nun ja, rein privat.
    Im Büro nebenan klingelte das Telefon, und alle unterbrachen ihre Arbeit und blickten hoch. Schließlich machte Sabrina die Tür zum Büro auf, sah sich zögernd um und schaute auf das blaue Sofa, bevor sie nach dem Telefon auf dem Schreibtisch ihres Chefs griff.
    „EcoLab“, meldete sie sich.
    „Ms. Galloway?“, fragte eine Frauenstimme und überraschte Sabrina so sehr, dass sie einen Schritt zurück machte. Wie konnte jemand erwarten, dass ausgerechnet sie ans Telefon ihres Chefs ging?
    „Ja?“, sagte sie so vorsichtig, dass sie nicht sicher war, ob die Frau sie überhaupt verstanden hatte.
    „Hier ist Anita Fräser vom Büro von Mr. Sidel. Er bat mich, Sie anzurufen. Er erwartet Sie vor Reaktorbereich eins um 13 Uhr. Sie sollen die VIP-Führung übernehmen.“
    „Einen Moment. Ich weiß nichts von einer Führung heute. Da muss es sich um einen Irrtum handeln.“ William Sidel war der Vorstandsvorsitzende von EcoEnergy, und Sabrina war sich sicher, dass sie
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher