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Organic

Organic

Titel: Organic
Autoren: Alex Kava
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eingestand – weil die Gerüchte und Geschichten zu eindeutig nach altem Aberglauben rochen, den man sich am Lagerfeuer erzählte – aber ihr graute nun einmal vor der Vorstellung, nach Einbruch der Dunkelheit irgendwo in Chattahoochee festzuhängen.
    Sie hörte, wie in der Küche die erste Zeitschaltuhr klickte, und im Nu verbreitete sich der Duft nach frisch gebrühtem Kaffee. Kurz darauf ließ die Eismaschine ihres Kühlschranks genau die Menge Eiswürfel in den Behälter fallen, die sie für ihren Frühstückssaft brauchte.
    Während sie auf ihren Kaffee wartete, holte Sabrina die gerollte Morgenzeitung herein, die vor der Tür lag, und rückte den Blumentopf zurecht, auf den der Zeitungsbote regelmäßig zielte. Ein Blick auf die Schlagzeilen weckte ihre Sehnsucht nach der „Chicago Tribüne“. Wer hätte gedacht, dass sie einmal die Mord- und Korruptionsgeschichten den Festen in ihrem County und den sich ständig ändernden Parkregeln in ihrer neuen Heimatstadt vorziehen würde? Vor fast einem Jahr war sie nach Tallahassee in Florida gezogen, aber sie fühlte sich noch immer nicht zu Hause. Sie konnte sich nicht einmal vorstellen, dass das jemals der Fall sein würde. Aber dafür konnte Florida nichts.
    Sie hatte ihr gesamtes Leben in Chicago verbracht. Ihr einziger Ortswechsel in fünfunddreißig Jahren war der Umzug von der Innenstadt an den Stadtrand gewesen. In jener Stadt mit 2,8 Millionen Einwohnern hatte sie sich nie einsam gefühlt, nicht einmal wenn die endlosen Winter einfach nicht vorbeigehen wollten. Natürlich war man dann immer unruhiger geworden. Wie konnte es auch anders sein angesichts des schmutzigen Schnees und Eises, das sich in den Straßen auftürmte? In diesen unwirtlichen Wintern liefen die Menschen auf der Straße eingemummt aneinander vorbei, ohne sich auch nur anzusehen, weil jeder nur an eins dachte – an Wärme und wie man auf dem schnellsten Weg wieder dorthin gelangte. Aber so waren die Winter im Mittleren Westen nun einmal.
    Ihr Zeitplan und ihre Routine hielten Sabrina auf Trab, ihre Studenten sorgten daneben für ein wenig Unterhaltung. Und bis vor zwei Jahren war da noch ihre Familie gewesen, der Halt in ihrem Leben: eine etwas neurotische, aber liebevolle Mutter, ein fürsorglicher Vater und ein unsteter, aber einnehmender Bruder, der immer ihr bester Freund gewesen war. Sie hätte sich niemals vorstellen können, dass es damit in weniger als einem Tag vorbei sein konnte.
    Nein, das Problem war nicht Florida. Sabrina brauchte keinen Doktortitel, um sich klar darüber zu sein, dass dieses Gefühl tief aus ihr selbst kam, nicht von außen. Aber wenigstens hätte das warme und sonnige Florida als Katalysator dienen können und sollen. Immerhin sahen die Menschen in Tallahassee einander an, wenn sie sich auf der Straße begegneten, auch wenn Sabrina dahinter eher den Wunsch vermutete, sie einzuordnen. Sie mochten es nicht sagen, aber es sprach doch aus ihrem Blick: Sie sind nicht von hier, oder?
    Sabrina fragte sich, woran die Leute das merkten. Was genau entlarvte einen als Zugezogenen?
    Flüchtig blätterte sie durch die Zeitung und las nicht mehr als die Überschriften, während sie ihren Becher ein Viertel mit fettarmer Milch füllte und dann mit Kaffee aufgoss. Auf Seite drei erregte eine Überschrift ihre Aufmerksamkeit: JACKSON SPRINGS RUFT MINERALWASSER ZURÜCK.
    Tag für Tag fuhr sie an dem kleinen Familienbetrieb vorbei, wenn sie zu EcoEnergy fuhr. Wenig überrascht schüttelte sie den Kopf. Als Wissenschaftlerin fand sie die staatlichen Maßnahmen zur Aufsicht der Wasserversorgung lächerlich, weil sie viel zu viel Arsen und andere gefährliche Substanzen im Trinkwasser erlaubten. Es war ein Witz, anzunehmen, dass sie abgefülltes Wasser besser kontrollieren konnten. Während Sabrina an ihrem lauwarmen Kaffee nippte, machte sie sich mehr Sorgen um das Koffein als um das Wasser. Aber auch wenn sie noch keine Nacht gut geschlafen hatte, seitdem sie in Tallahassee lebte, war ihr doch klar, dass Koffein die geringste ihrer Sorgen war. Wäre es doch nur so einfach gewesen.
    Ihre Freundin Olivia erinnerte sie gerne daran, dass Sabrina immerhin in weniger als einem Jahr in eine Ecke des Landes gezogen war, in der sie zuvor noch nie gewesen war. Sie hatte einen neuen Job in einer Branche angetreten, mit der sie vorher noch nie zu tun gehabt hatte, und musste sich außerdem noch um einen Kranken kümmern. „Natürlich wirkt das Koffein bei dir ganz besonders und hält
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