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Ordnungszahl 120

Ordnungszahl 120

Titel: Ordnungszahl 120
Autoren: K. H. Scheer
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Ein­satz­be­spre­chun­gen wa­ren be­rühmt und ge­fürch­tet. Er brach­te es auch fer­tig, einen Phleg­ma­ti­ker ner­vös zu ma­chen.
    »Da drü­ben steht Whis­ky«, sag­te er un­deut­lich. Sein Dau­men zeig­te nach rechts.
    Ich räus­per­te mich und ver­zich­te­te dar­auf, die schar­fen Ge­trän­ke nä­her zu be­gut­ach­ten. Über sei­ne Lip­pen husch­te ein Lä­cheln. Dann wühl­te er wei­ter in den Un­ter­la­gen.
    All­mäh­lich wur­de ich un­ru­hig. Al­les sah da­nach aus, als stün­de ein har­ter Ein­satz be­vor.
    Es wa­ren et­wa fünf Mi­nu­ten ver­gan­gen, als er end­lich zu spre­chen be­gann, wie ich es er­war­tet hat­te. Kurz, prä­zi­se und schwer­wie­gend.
    »Wir ha­ben uns teil­wei­se nar­ren las­sen, Kon­nat.« In sei­nen Au­gen glomm ein Fun­ke auf, der mir nicht ge­fal­len woll­te. »Neh­men Sie Ih­re Mas­ke ab, ich möch­te Ihr Ge­sicht se­hen.« Ich griff mit den Dau­men un­ter die Rän­der und ent­fern­te die un­be­que­me Tar­nung. Das hauch­dün­ne, luft­durch­läs­si­ge Ma­te­ri­al gab leicht nach, so daß ich Se­kun­den spä­ter dem Chef de­mas­kiert ge­gen­über saß.
    Er mus­ter­te mich ein­dring­lich, ehe er an mich die Fra­ge rich­te­te »Wis­sen Sie, was wir un­ter den drei Wor­ten ›Tor zur Höl­le‹ zu ver­ste­hen ha­ben?«
    »Kei­ne Ah­nung. Ich ha­be noch nie da­von ge­hört.«
    »Kein Wun­der«, lach­te er är­ger­lich. »So nennt man auf Li­ma un­se­re kern­phy­si­ka­li­sche Ge­heim­sta­ti­on, in der Ex­pe­ri­men­te statt­fin­den, die auf der Er­de ver­bo­ten sind. Sie wis­sen, daß be­stimm­te Ge­bie­te der Kern­for­schung nach dem in­ter­na­tio­na­len Ge­setz von 1994 hier nicht mehr be­trie­ben wer­den dür­fen, weil das afri­ka­ni­sche Atom­werk in Li­ki­mi ein Jahr zu­vor in die Luft ge­flo­gen war. Bei der Ex­plo­si­on wur­de ein großer Teil des Kongo­ge­bie­tes ver­wüs­tet. Die ra­dio­ak­ti­ven Aus­wir­kun­gen hat man auf der gan­zen Welt ge­spürt.«
    Ja, an die­se welt­wei­te Ka­ta­stro­phe, de­ren Ur­sa­chen heu­te noch nicht ge­klärt wa­ren, er­in­ner­te ich mich sehr gut. Ein Jahr spä­ter war das in­ter­na­tio­na­le Ver­bot er­las­sen wor­den.
    »Gut, das war der Haupt­grund, wes­halb wir un­se­re wich­tigs­ten For­schungs­la­bors auf den Mond ver­leg­ten, als an der Zu­ver­läs­sig­keit der Raum­schif­fahrt kein Zwei­fel mehr be­stand. Wir ver­fü­gen auf Li­ma über drei ver­schie­de­ne For­schungs­sta­tio­nen, doch das ›Tor zur Höl­le‹ ist das Zen­trum, in dem die ge­fähr­lichs­ten Ex­pe­ri­men­te statt­fin­den. Wir sind dort ge­ra­de mit der Ent­wick­lung der Ko­balt­bom­be be­schäf­tigt.«
    Ich konn­te mei­ne Er­re­gung nur müh­sam dämp­fen. Die Ko­balt­bom­be! Das grau­en­haf­tes­te Ver­nich­tungs­in­stru­ment der Mensch­heit, schon vor drei Jahr­zehn­ten vor­aus­ge­sagt, be­fand sich in der Ent­wick­lung! Re­ling hat­te die­se be­deut­sa­me Tat­sa­che so ne­ben­her er­wähnt, als hät­te er kei­ne Ah­nung von dem Sinn sei­ner Wor­te.
    »Sonst nichts?« frag­te ich sto­ckend.
    »Es langt«, er­klär­te er mit ei­nem ab­we­sen­den Aus­druck in den Au­gen. »Die theo­re­ti­schen Ar­bei­ten und Vor­ver­su­che fin­den hier statt. Al­le ge­fähr­li­chen Ex­pe­ri­men­te sind auf den Mond ver­legt wor­den. Wir kön­nen es uns nicht leis­ten, sol­che Ver­su­che in­ner­halb der Erdat­mo­sphä­re zu ma­chen. Ein ein­zi­ger Fehl­schlag könn­te zur Ver­nich­tung des nord­ame­ri­ka­ni­schen Kon­tin­ents füh­ren. Die ers­ten prak­ti­schen Ver­su­che ste­hen un­mit­tel­bar be­vor. Sie wer­den im lee­ren Raum statt­fin­den. Se­hen Sie sich das Bild an!«
    Er schob mir die far­bi­ge, drei­di­men­sio­na­le Pho­to­gra­phie über den Tisch. Ich er­kann­te einen weiß­haa­ri­gen Mann im La­bor­kit­tel. Er trug kei­ne Au­gen­scha­len, son­dern ei­ne ver­al­te­te Horn­bril­le.
    »Wer ist das?«
    »Pro­fes­sor Hol­wyn, Kern­phy­si­ker und wis­sen­schaft­li­cher Chef des Ge­heim­la­bors. Ein Kön­ner al­ler­ers­ten Ran­ges. Er hat auch das neue Trans­uran mit der Ord­nungs­zahl hun­dertzwan­zig er­zeugt. Es ist nach ihm ›Hol­wy­ni­um‹
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