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Oracoli (German Edition)

Oracoli (German Edition)

Titel: Oracoli (German Edition)
Autoren: Thomas Becks
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zu malen. Sie hatte fast ein Jahr nebenher als Taxifahrerin gearbeitet und dabei ihre Malerei vernachlässigt. Cora war plötzlich froh darüber, dass sie kein Taxi mehr fuhr. Sie freute sich, dass sie endlich wieder Zeit für ihre Kunst hatte. Sie legte sich aufs Bett und überlegte, welches Werk sie kopieren sollte. Ihre Leidenschaft galt den alten Meistern. Sie zu kopieren, bereitete ihr das größte Vergnügen. Sie zog sich aus und legte sich ins Bett. Sie wollte jetzt nicht an den bevorstehenden Einbruch denken, deshalb rief sie sich die verschiedenen Gemälde in Erinnerung, die sie mit Katie bei ihren gemeinsamen Museumsbesuchen bewunderte. Dann schlief sie ein und träumte von Claude Monets Ölgemälde, Frau mit Sonnenschirm. Die Frau auf dem Bild war sie selbst. Da war diese wundervolle Sommerwiese mit ihren bunten Blumen und Schmetterlingen. In der Ferne sah sie einen schwarzen Würfel. Sie war neugierig und schwebte dorthin. Als sie dort ankam, stand sie vor einem zirka fünf Meter großen Tresor. Die Tür des Tresors war nur angelehnt, aber Cora schaffte es nicht, sie zu öffnen —, plötzlich sprang die Tür von alleine auf, und aus dem Panzerschrank trat eine dicke Rauchwolke.
       Als sich der Rauch langsam legte, erschien im Tresor eine Fratze. Es war das verzerrte und riesige Gesicht Ferdinand Starks. Er hatte eine Handelsgold-Zigarre im Mund und lachte fürchterlich:
    »HA, HA, HA, SO GREIFEN SIE DOCH ZU, CORA.«
    Cora wachte schweißgebadet auf. Es dauerte noch eine ganze Weile, bis sie wieder einschlief.
     
       Ein wunderschöner Tag zum Malen, dachte Cora, als sie ihr Atelier betrat. Das Atelier nahm den gesamten Dachboden in Anspruch. Es hatte in jede Himmelsrichtung große Fenster, die für genügendes Licht und Atmosphäre in ihrem Refugium sorgten. An den Wänden lehnten halbfertige sowie fertige Bilder, meistens Kopien alter Meister. Der Fußboden war mit Farbresten übersät. Unter dem Westfenster stand ein breites Regal mit Fachbüchern und Künstlerbiografien. Cora nahm einen Bildband über Claude Monet aus dem Bücherregal. Sie suchte nach der Frau mit Sonnenschirm und wurde schnell fündig. Nachdem Cora sich die Maße des Originals notierte, begab sie sich in die Mitte des großen Raumes, in der sich Cora eine Rahmenwerkstatt eingerichtet hatte. Dort lagerten unter anderem, in unterschiedlichen Größen, Hölzer für die Keilrahmen. Cora suchte die richtigen, aus Kiefer gesägten Elemente, aus und verband die passenden Zuschnitte zu einem Keilrahmen. Zum bespannen der Leinwand schnitt sie ihre edelste Leinwand auf Maß. Nichts war ihr an diesem Tag zu teuer. Sie zelebrierte an diesem Sonntagnachmittag alles und genoss jedes Detail ihrer Leidenschaft. Nachdem sie den Rahmen bespannte, nahm sie einen Plastikbehälter mit der Aufschrift: Grundierung für 1850 – 1900 aus dem Schrank unter dem Südfenster und bestrich die Leinwand damit. Cora war sehr penibel, was ihre Kopien betraf. Sie mixte die Malmittel, wie sie die alten Meister herstellten, so authentisch wie möglich. Danach platzierte sie die Leinwand zum Trocknen auf die Staffelei. Die Staffelei war zum Nordfenster ausgerichtet. Cora wusste, dass das Nordlicht die Farben so zeigt, wie sie tatsächlich sind, sie werden dort nicht vom Sonnenlicht verfälscht. Eine Stunde musste die Leinwand trocknen, bevor sie die Grund-Skizze anlegen durfte. Cora nahm das Telefon und tippte Katies Nummer ein. Katies Anrufbeantworter schaltete sich ein: »Hallo, bitte keinen Neid, aber ich befinde mich zurzeit in der Toskana und gebe dort Malunterricht. Ich bin in sechs Wochen wieder zurück. Wenn ihr mich unbedingt nerven wollt, ruft mich nach 20 Uhr übers Handy an. –  Hallo Cora, wenn Du Probleme hast, … Du weißt schon was ich meine, kannst Du mich jederzeit anrufen. Ich konnte Dich am Samstagmittag leider nicht erreichen. Ein Kunstlehrer da unten hatte einen Roller-Unfall und liegt im Krankenhaus. Er hat sich nur die Füße gebrochen. Ich musste mich Hals über Kopf entscheiden und bin sofort losgeflogen. Ciao.«
       Die Glückliche, dachte Cora, sie wusste, dass Katie sich irgendwann bei einer renommierten Kunstschule in der Toskana beworben hatte, und freute sich über ihr Glück, aber sie vermisste ihre Freundin jetzt schon. Cora ging zur Staffelei und fasste an die Leinwand. Trocken genug, entschied sie. Sie hatte das aufgeschlagene Buch in der Linken und machte mit einem Kohlestift die Vorzeichnung. Sie brauchte kein Raster
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