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Optimum 1

Optimum 1

Titel: Optimum 1
Autoren: V Bicker
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seltsam lange Pause vor Ricas Nachnamen, als könne sie nicht recht glauben, dass dieser zu ihr gehörte.
    »Genau.« Rica bemühte sich, ihrer Stimme so etwas wie unbeschwerte Fröhlichkeit zu verleihen, und sie strahlte die fremde Frau an. Wenn die nur endlich verschwinden würde. Sie hatte doch ohnehin zu Jo gewollt, oder?
    »Ricarda Lentz«, wiederholte die Frau etwas leiser. »Sag mal, Ricarda, kennst du einen Thomas Rausner?«
    Verwirrt schüttelte Rica den Kopf. Den Namen hatte sie noch nie gehört. Worauf wollte diese Frau hinaus?
    »Bist du dir sicher? Hat deine Mutter ihn nicht vielleicht mal erwähnt?« Etwas Röte hatte sich in die Wangen der Frau geschlichen, und in ihren Augen lag nun ein fiebriger Glanz.
    Rica schüttelte erneut den Kopf. »Sollte ich?«, fügte sie hinzu.
    Die Frau schien zu überlegen. Dann atmete sie tief durch, und ein leichtes Lächeln stahl sich auf ihre Züge. »Nein … Nein, nicht unbedingt. Vielleicht habe ich mich auch geirrt. Es tut mir leid, wenn ich dich irgendwie verwirrt haben sollte, Ricarda. Aber ich bin mir sicher, wir sehen uns dann bald, wenn du unsere Schule besuchst. Vielleicht möchtest du ja mal auf einen Kaffee vorbeikommen oder so etwas.«
    Rica hatte nicht die geringste Lust, mit einer Lehrerin Kaffee zu trinken, aber das konnte sie ihr natürlich nicht ins Gesicht sagen. So machte sie nur eine unbestimmte Kopfbewegung, die zwischen einem Nicken, einem Kopfschütteln und einem Schulterzucken alles bedeuten konnte, und lächelte zurück.
    Endlich wandte die Frau sich von ihr ab und wieder Jo zu. »Wir hatten einen Termin, Josefine, hast du ihn vergessen?«, fragte sie streng.
    Jo verzog das Gesicht. »Mir geht es gut, ich brauche keine Sitzung, ehrlich.«
    »Ich glaube nicht, dass du beurteilen kannst, was für dich am besten ist, Josefine«, erwiderte die Frau und verschränkte die Arme vor der Brust. »Ich habe jetzt Zeit. Wenn du also bitte mitkommen möchtest in mein Büro … «
    Jo sah so aus, als hätte sie so ziemlich alles lieber getan als das, aber nach einem hilflosen Blick zu Eliza und Rica beschloss sie wohl, dass sie hier keine Hilfe zu erwarten hatte. Sie seufzte, stand auf und sprang von der Bank. »Bringen wir’s hinter uns, Frau Doktor«, schnaubte sie und drehte sich so rasch von den anderen weg, dass Rica beinah nicht aufgefallen wäre, wie seltsam ihre Augen glänzten. Sie blinzelte. Weinte Jo etwa? Doch im nächsten Moment stapfte Jo schon mit Riesenschritten den Weg entlang, und Frau Jansen beeilte sich, ihr zu folgen.
    Rica schnappte nach Luft. »Wer war das denn?«, fragte sie.
    Eliza schenkte ihr einen unergründlichen Blick. »Das war Frau Jansen«, meinte sie leise. »Die Schultherapeutin.«
    Und was in aller Welt wollte sie von mir? Rica hütete sich allerdings, diese Frage laut auszusprechen.

Kapitel zwei
    Unruhe
    Mein erster Schultag.
    Rica schob die Kamera zurecht, die über ihrer Schulter hing, und sah sich in der großen Eingangshalle um. Schüler strömten in einer dichten Masse durch die Eingangstür und teilten sich dann in kleine einzelne Grüppchen auf, die langsam, aber zielstrebig auf ihre Klassenzimmer zugingen. Rica schien die Einzige zu sein, die sich die Zeit nahm, stehen zu bleiben und sich umzusehen. Alle anderen hatten es geradezu unverschämt eilig, in den Unterricht zu kommen. Oder sie wollten sich nicht allzu lange in dem riesigen Foyer aufhalten.
    Rica kribbelte es in den Fingern, nach dem Fotoapparat zu greifen und die Szene aufzunehmen, aber sie konnte sich gerade noch bremsen. Es ist eine ganz normale Schulszene, verflixt noch mal, ermahnte Rica sich, aber gleichzeitig ahnte sie, dass das nicht stimmte. Es war völlig anders als an ihrer letzten Schule. Erstens benahmen sich die Schüler hier viel gesitteter. Und dann lag etwas in ihren Bewegungen, in der Art, wie sie sich hielten und wie sie einander musterten, das sie von allen Schülern unterschied, die Rica bisher kennengelernt hatte. Als würden sie insgeheim auf alle anderen herabsehen. Und als versuchten sie ständig, den anderen einzuschätzen, abzuwägen, was er leisten konnte, ob er eine Konkurrenz darstellte und wie man diese Konkurrenz am besten ausschalten konnte.
    Rica schüttelte den Kopf, das war doch Quatsch. Natürlich war das hier ein Internat, aber das hieß noch lange nicht, dass alle Schüler hier überhebliche Snobs waren. Oder? Sie bildete sich das bestimmt nur ein.
    Wieder ließ sie den Blick über die Schülerschar schweifen.
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