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Operation Romanow

Operation Romanow

Titel: Operation Romanow
Autoren: Glenn Meade
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Bukarest ankam, wurde er sofort in ein Krankenhaus eingewiesen.«
    »Und später?«
    »Das brutale Massaker, das er bezeugt hatte, erschütterte ihn zutiefst. Er war nicht mehr derselbe Mann. Es ist wirklich erstaunlich. Wenn Sie sich eines der Fotos von Boyle ansehen, die kurz nach Jekaterinburg aufgenommen wurden, sehen Sie es in seinem Gesicht. Er hat den Blick eines Menschen, der Beobachter unaussprechlicher Gräueltaten wurde. Knapp fünf Jahre später starb er als gebrochener Mann.«
    »Wenn es stimmt, was Sie sagen, warum wurden seine unglaublichen Anstrengungen dann nicht anerkannt?«
    Evans lächelte wissend. »Das wurden sie. Joe Boyle bekam den DSO, den Distinguished Service Order, verliehen. Dieser englische Kriegsverdienstorden wurde ihm von keinem Geringeren als König Georg V., dem Cousin des Zaren Nikolaus II., während einer privaten Zeremonie im Buckingham Palace im November 1919 überreicht. Der Orden wurde seinerzeit nur Offizieren verliehen, die an der Front gekämpft hatten. Die Geschehnisse in Jekaterinburg waren das einzige Ereignis in Boyles Leben, das diese Auszeichnung rechtfertigte. In den Berichten steht, dass ihm der Orden für ›geleistete Dienste‹ zuerkannt wurde. Es war eine außergewöhnliche Ehre, aber es blieb ein Rätsel, denn niemand erklärte jemals, welche Dienste genau gemeint waren.«
    »Niemand weiß also, was er genau getan hat, um den Respekt des Königs zu verdienen?«
    Evans strich mit der Hand kurz über den Grabstein und sah mir dann in die Augen. »Ich persönlich bin davon überzeugt, dass Boyle für seine mutigen Anstrengungen in jener blutigen Nacht in Jekaterinburg ausgezeichnet wurde.«
    Es regnete, als ich mich drei Tage später in der lettischen Hauptstadt mit Maxim Petrowski traf. Der ruhige, freundliche Mann mit dem dünnen grauen Bart hatte an der Moskauer Staatsuniversität einen Abschluss als Bauingenieur erworben. Am Abriss des Ipatjew-Hauses war er damals als leitender Ingenieur beteiligt.
    Jetzt war er im Ruhestand und lebte mit seiner Frau in einer kleinen Wohnung am Stadtrand von Riga. An dem Nachmittag, als er mich zu sich eingeladen hatte, war es kühl. Zuerst hatte er sich gesträubt, mit mir zu sprechen, doch als ich ihm am Telefon mitgeteilt hatte, dass ich Nachforschungen über das Ipatjew-Haus anstellte, hatte er schließlich widerwillig zugestimmt.
    Ich brachte Petrowski als Geschenk eine Flasche Bushmills-Whiskey mit. Als er die Flasche geöffnet und unsere Gläser gefüllt hatte, taute er auf. Vor allem wollte ich mit ihm über diese Tunnel sprechen, die es angeblich unter dem Ipatjew-Haus gegeben hatte.
    »Es besteht kein Zweifel daran, dass diese Tunnel existierten«, sagte er zu mir. »Es ist kein Geheimnis, dass kreuz und quer unter Jekaterinburg zahlreiche Gänge verliefen. Ein Tunnel, den wir während des Abrisses des Hauses entdeckten, verlief genau unter dem Haus. Er begann im Osten des Hauses. In der Nähe des Stadtteiches befand sich der Zugang. In den Felsen unter der Stadt gab es natürliche Höhlen, die erweitert worden waren, verstehen Sie?«
    »Und die Tunnel stammen aus der Zeit, als de Gennin die Pläne für die an diesem Ort entstandene Festung entwarf.«
    Petrowski lächelte. »Sie kennen sich gut aus.«
    Ich goss ihm noch ein Glas ein und ermunterte ihn, mir mehr zu erzählen.
    »Bei der Zerstörung des Hauses, die in der Nacht des 27. Juli 1977 heimlich und in aller Eile erfolgte, kamen eine Abrissbirne und Bulldozer zum Einsatz. Den Befehl zu dem Abriss gab Juri Andropow, der damals an der Spitze des KGB stand. Ich erinnere mich genau, dass wir eine Mauer in einem Tunnel im Untergeschoss einschlugen. Er war teilweise mit diesen glasierten, weißen Fliesen verkleidet, die man in Häusern aus dem Ende des neunzehnten Jahrhunderts oft findet. Und dann tauchten diese Männer aus Moskau auf.«
    »Männer aus Moskau?«
    Petrowski schwenkte den Whiskey in seinem Glas. »Vom KGB. Plötzlich schwärmten die Männer wie Fliegen über das Grundstück. Sogar Boris Jelzin, der spätere russische Präsident, sah sich dort um.«
    »Tatsächlich?«
    »Ich bekam den Auftrag, ihn durch die unterirdischen Tunnel zu führen. Die Zerstörung wurde in jener Nacht für eine kurze Zeit unterbrochen. Wir setzten Schutzhelme auf, nahmen Taschenlampen mit, und dann führte ich Jelzin und die Leute vom KGB in die Tunnel hinunter. Der Gang, den wir nahmen, führte durch eine eingeschlagene Mauer in den zugenagelten Abstellraum neben der
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