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Opas Eisberg: Auf Spurensuche durch Grönland (German Edition)

Opas Eisberg: Auf Spurensuche durch Grönland (German Edition)

Titel: Opas Eisberg: Auf Spurensuche durch Grönland (German Edition)
Autoren: Stephan Orth
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weiterentwickelt werden müssten, und die Expedition wurde abgeblasen. Um seine Chancen auf eine Arktis-Expedition zu verbessern, ging Roderich für ein Semester nach Dresden, wo er bei Professor Bernhard Pattenhausen Seminare über Astronomie, Meteorologie und Vermessungskunde besuchte. In dem Dresdner Vorort Hellerau wohnte das Patenkind seiner Mutter, Marie Günther, mit ihrer Familie. Er verliebte sich Hals über Kopf in sie, fand aber während seines Aufenthaltes in Dresden nur selten einen guten Vorwand, um ihre Familie zu besuchen.
    Außerdem war er mit seinen Studien beschäftigt. Für praktische Übungen fuhren die Studenten für mehrere Wochen ins Erzgebirge. Nach dem Pflichtprogramm blieb Roderich oft bis
in die frühen Morgenstunden auf, um mit Pattenhausens Assistent Ingershoff geografische Ortsbestimmung zu trainieren. Die schlaflosen Nächte am Kleinen Hildebrand und am Mikroskoptheodolit zahlten sich aus: Mit einem Zeugnis voller Einsen und einem Empfehlungsschreiben des Professors kehrte er nach Zürich zurück und bot sich erneut bei de Quervain als Mitstreiter an. Diesmal ging es um ein noch größeres Abenteuer als zuvor, die Durchquerung des grönländischen Inlandeises. Der angesehene Geophysiker lud ihn und Karl Gaule im Herbst 1911 zu einem Vorstellungsgespräch in sein Studierzimmer im meteorologischen Institut.

Februar 2011
München-Pasing, Ladengeschäft eines Trekkinganbieters

    Ein paar Sekunden Stille. Ein ungläubiger Blick, ein »Ich glaube, Sie sind hier falsch«-Blick. Dann noch einmal die Nachfrage: »
Wo
wollen Sie hin?!« Die für Grönland zuständige Mitarbeiterin des Trekking-Reiseveranstalters mustert das grauhaarige Paar vor ihr von oben bis unten. Wie Sportler sehen sie nicht aus. Beide tragen schwere Einkaufstüten, er eine Krawatte unter dem Anorak. Gerade haben sie verkündet, die Gruppentour »Im Banne des ewigen Eises« gebucht zu haben, Reisenummer GLK01, Anfang bis Mitte August. Sie wünschen sich noch ein paar Informationen zur benötigten Ausrüstung fürs Zelttrekking in der Wildnis. »Sie wissen schon, dass es da kein Krankenhaus gibt?« Die beiden Besucher nicken. Dann sagt die Arktisexpertin einen Satz, den Verkäufer ziemlich selten sagen, wenn es um ein Produkt im Wert von zwei mal 3000 Euro geht und die Kunden schon das Portemonnaie gezückt haben: »Das sollten Sie sich noch einmal
sehr
gut überlegen!«
    Ganz unberechtigt ist ihr Hinweis nicht. Laut Katalog gilt die 16-tägige Reise als »schwierig«, drei Punkte auf der fünfstufigen Skala: »Die Routen führen teilweise durch unwegsame Regionen, die bereits physisch wie psychisch Entbehrungen erfordern.« Dann folgt die Unterstellung »Sie freuen sich auf längere alpine Bergwanderungen mit Etappen bis zu acht Stunden«. Ob das stimmt, können die beiden Besucher nicht beurteilen. Normalerweise besteht ihr Outdoor-Programm aus kurzen Sonntagsspaziergängen. Immerhin, in Zelten haben sie früher schon mal übernachtet, Mitte der Siebzigerjahre. Was die Ausrüstung angeht, hat sich seitdem einiges getan, mit viel Interesse begutachten sie bunte Hardshell-Jacken und Funktionswäsche.
    »Sie müssen da mit Gepäck gehen, ohne gespurte Wege. Können Sie das?«
    Meine Eltern, er 66 Jahre alt, sie 60, sind um eine ehrliche Antwort verlegen.
    Im Katalog des Reiseveranstalters hatte mein Onkel eine Ostgrönlandtour mit Besteigung des Ficks Bjerg entdeckt. Ein paar Anrufe später hatte er acht Leute zusammen: Onkel, Tante, Papa, Mama, beide Söhne und zwei Freunde. Wir reservierten die komplette Gruppenreise.
    Wobei klar war, dass sich einige Familienmitglieder intensiver vorbereiten mussten als andere. Denn Abenteuer sind relativ: Für Roderich bedeutete eine mehrmonatige Expeditionsreise ins Unbekannte, dass er an seine Grenzen gehen musste, für meine Eltern gilt auf einer zweiwöchigen »Trekkingreise mit Pioniercharakter« (Katalogbeschreibung) das Gleiche.
    Nach der Warnung im Trekkingshop sind sie kurz davor, die Reise abzusagen. Oder ein Alternativprogramm zu wählen: »Ich setze mich auch für zwei Wochen auf einen Stein in Tasiilaq«, sagt mein Vater.
    Doch dann schicken sie das Formular ab, auf dem man die anspruchsvollsten Touren der vergangenen fünf Jahre angeben muss, und überweisen zehn Prozent des Gesamtpreises als Anzahlung. Ein paar Tage später landet auf dem Schreibtisch der für Grönland zuständigen Mitarbeiterin in München-Pasing die Information, dass die Eheleute Orth
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