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One Night Wonder

One Night Wonder

Titel: One Night Wonder
Autoren: Kira Licht
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erstarrt zu einem betonierten Lächeln. »Ach, wirklich?«
    »Ja!«, zischt sie und guckt schon wieder so blöd.
    »Dann quatsch doch nach dem Kurs ein bisschen mit ihm«, erwidere ich und wundere mich selbst, dass ich so boshaft sein kann.
    »Gute Idee.« Sie verzieht die Augen zu Schlitzen und fixiert seinen Rücken wie ein Raubtier.
    Dann dreht er sich wieder zu uns um, und Sabine tut so, als blättere sie in ihren Unterlagen. Ich zücke meinen Kuli. Na, den Spaß werde ich mir ansehen. Innerlich könnte ich mich totlachen. Sabine mit dem platt gesessenen Pferdepopo, den schlecht sitzenden Jeans und den widerborstigen Haaren will diesen hageren Kerl klarmachen, der aussieht wie der Ästhet in Reinform. Und das mit diesen Schuhen: Sie trägt jene Art von »rustikalen Schnürstiefeln« in undefinierbaren Matschfarben, die sowohl von Rentnern für eine Wanderung durch die Steiermark als auch von Kindern zum Spielen im Sandkasten getragen werden können. »Funktionell« ist oft gleichbedeutend mit »hässlich«. Im Falle von Sabines Schuhen stimmt das eindeutig.
    Ich schreibe mir weiter die Finger wund und hoffe auf ein baldiges Ende der Stunde. Dann ist es so weit.
    »Schluss für heute, Leute«, sagt Dr. Lechmann, den wir Jakob mit »Sie« nennen dürfen. Meine Kommilitonen werfen ihre Hefte in die Taschen und stürmen polternd wie eine Rinderherde zur Tür.
    Jakob schiebt seine Unterlagen zu einem ordentlichen Stapel zusammen. Sabine neben mir hat schon gepackt und strafft die Schultern. Ich bleibe sitzen und tue so, als würde ich noch etwas suchen. Schon ist sie an seinem Pult. Ich halte den Kopf gesenkt und schiele nach vorn. Sabine hat neckisch die Hüfte vorgeschoben und redet leise auf ihn ein. Leider kann ich sie nicht verstehen, das Getrappel der Füße ist immer noch zu laut. Jakob schaut sie leicht irritiert an, dann erwidert er kurz etwas, rafft seine Papiere zusammen und geht. Er lächelt zum Abschied, doch es wirkt lediglich höflich und reserviert. Sabine guckt wie ein begossener Pudel. Schnell schnappe ich meine Sachen und verschwinde Richtung Ausgang, bevor sie mich weiter zutexten kann. Was ich gesehen habe, war zu eindeutig.
    Draußen ist es schon dunkel. Julchen wartet an der geschlossenen Cafeteria auf mich. Sie steht mal wieder paffend unter dem überdimensionalen Schild »Rauchen verboten«. Ich glaube, es ist ihre persönliche Revolte gegen das Establishment.
    »Na, wie war’s beim schönen Dr. Lechmann?«
    »Sabine hat versucht, ihn anzugraben.«
    »Was?«, piepst Jule, und um ihre Mundwinkel zuckt es.
    »Sie hat ’nen Korb gekriegt, das war klar. Vielleicht ist er ja verheiratet oder so.«
    »Ist er nicht.«
    »Woher weißt du das?«
    »Weiß ich eben.«
    Ich nicke und glaube ihr. Jule kennt geschätzte tausend Leute allein an dieser Uni. Sie weiß immer alles.
    »Und was ist mit dir? Doch kein Interesse mehr?«
    »Ich?«, frage ich unschuldig.
    »Er ist doch voll dein Typ! Außerdem hast du vorhin noch über ihn geredet, also stehst du auf ihn.«
    »Du hast mich mit ihm aufgezogen, das ist etwas ganz anderes.«
    »Auch egal. Schon einen Plan?«
    »Ein Plan ist überflüssig, er kann mir noch nicht mal in die Augen sehen. Mittlerweile habe ich schon Paranoia hochzugucken, weil ich ihn nicht blamieren will. Ich weiß auch nicht, warum er so reagiert, ich mach gar nichts. Ich sitze nur rum.«
    »So schlimm?« Jule kann sich ein Grinsen nicht verkneifen. »Vielleicht ist er anders, wenn er mit dir allein ist. In seinem Büro zum Beispiel.«
    »Wenn du mit ›anders‹ auf ›plötzlichen Herztod‹ anspielst, verzichte ich in seinem Interesse darauf.«
    Jule lacht und tritt ihre Kippe aus. »Versuch’s doch einfach. Niedlich sieht er jedenfalls aus.«
    »Ja, vielleicht.«
    »Okay, Süße, schönes Wochenende!« Sie küsst mich herzhaft auf beide Wangen. »Was steht bei dir so an?«
    »Ach, ich fahre heute Abend ein bisschen zu Marius. Sonst nix. Und bei dir?«
    »Auch nix Besonderes. Wir wollen kochen und vielleicht ’ne DVD ausleihen.«
    »Dann viel Spaß!«
    »Dir auch!«
    Ich trabe grübelnd Richtung Straßenbahn. Und dann mache ich doch einen Plan. Ihn in seinem Büro zu besuchen ist vielleicht gar keine so schlechte Idee. Er sieht aus wie ein Streber, also ist er bestimmt immer bis spätabends an der Uni und arbeitet an seiner Karriere. Jetzt ist es acht Uhr. Wenn er danach noch ein bisschen was zu erledigen hat, ist er bestimmt bis halb zehn im Büro. Und zu dieser Zeit werden wohl
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