Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Oma ihr klein Häuschen

Oma ihr klein Häuschen

Titel: Oma ihr klein Häuschen
Autoren: Janne Mommsen
Vom Netzwerk:
sieht   …», sagt sie.
    «Wir müssen ja nicht rausgehen», entgegne ich. Ich habe alle Zeit der Welt.
    «Außerdem muss jemand nach Oma schauen.»
    «Du hast recht.»
    «Leider.»
    Wir küssen uns unter dem warmen Wasserstrahl.
     
    Wie jeden Tag schieben sich die Touristen an Omas Haus vorbei, aber Gott sei Dank ist die Kurmuschel noch nicht besetzt. Die osteuropäische Version von
Lady in Red
käme mir jetzt wirklich unpassend vor. Es fühlt sich ohnehin schon seltsam genug an, verliebt in ein Trauerhaus zu gehen. Irgendwie komme ich mir vor wie eine Flipperkugel, die zwischen zwei Stationen hin und her geschleudert wird.
    Oma öffnet mir die Tür.
    Ihre Augen sind müde, ihre Haut zerknittert, das kurze Haar verwuselt. Sie trägt ein hochgeschlossenes schwarzes Kleid. Und trotzdem wirkt sie schon viel kräftiger als gestern im Krankenhaus. Oder bilde ich mir das nur ein, weil ich immer noch vollkommen drüber bin nach der Nacht mit Maria?
    «Schön, dass du kommst, Sönke.»
    «Moin, Oma.»
    Wir sind nicht allein. Cord und Arne sitzen friedlich nebeneinander auf der Couch, wie ganz normale Brüder.
    Ein neues Bild.
    «Moin.»
    Beide wenden den Kopf im gleichen Winkel zu mir, als hätten sie das einstudiert: «Moin, Moin.»
    Wie aus einem Mund.
    Fast muss ich lachen, es kommt mir vor wie Slapstick. Ich werfe einen prüfenden Blick auf Cord. Hat er endlich geschluckt, dass Johannes nicht sein Vater war? Es scheint fast so, denn anstatt mich weiter zu beschimpfen, blickt er schuldbewusst nach unten.
    «Arne hat netterweise hier übernachtet», lenkt Oma ab.
    Der Gute.
    Fast bekomme ich ein schlechtes Gewissen, denn ich hätte mich gestern Abend auch erkundigen müssen, wie es ihr geht. Andererseits bin ich davon ausgegangen, dass ihrFreund Dr.   Behnke alles regelt. Er hätte angerufen, wenn irgendwas nicht gestimmt hätte.
    «Wie geht es dir?», frage ich Oma.
    Ich setze mich zwischen meine beiden Onkel auf die Couch, während Oma sich auf einem Sessel niederlässt.
    «Ich bin froh, dass Johannes nicht lange leiden musste.»
    «Das ist ein Trost, immerhin.»
    «Aber er fehlt mir jetzt schon sehr.» Oma blickt traurig auf das Elefantenbild über der Couch.
    «Ich hätte ihn gerne näher kennengelernt», sage ich.
    «Es war ein Fehler, ich weiß. Aber irgendwie war es auch reizvoll, mein Geheimnis für mich zu behalten.»
    «Es musste für dich passen, nicht für uns», erinnert sie Arne.
    «Aber ihr seid noch sauer auf mich, oder?» Jetzt sieht sie uns drei direkt an.
    «Da kennst du die Familie Riewerts schlecht. Wir werden Johannes einen würdigen Abschied bereiten», verspreche ich, «Maria und ich haben bereits alles mit Hansen besprochen.»
    Oma strahlt mich an. «Mein Lieber.»
    Jetzt legt Cord etwas ungelenk seinen Arm um meine Schultern.
    «Ich habe mich in dieser Vatersache irgendwie verrannt, Sönke. Ich muss mich bei dir entschuldigen.»
    «Du hättest deiner Mutter ruhig glauben können.»
    «Ohne dieses bescheuerte Gutachten von dem Geninstitut hätte ich das auch.»
    «Wie die darauf gekommen sind, ist mir auch immer noch ein Rätsel», sage ich.
    Oma steht auf.
    «Ich werde jetzt Johannes besuchen», kündigt sie an.
    «Ich komme mit», bietet Cord an.
    «Dü määnst et gud, man ik maad lefft alian wees mä Johannes.»
    Es ist gut gemeint, aber ich möchte jetzt alleine mit Johannes sein.
    «Jä was.»
    Ja, gewiss doch.
    Cord spricht wieder Friesisch! Sieh an.
    Plötzlich kommt mir eine Idee. «Wie war das eigentlich nach Opas Tod?», frage ich Oma. «Du bist doch ziemlich schnell in diese Wohnung gezogen, oder?»
    «Vier Wochen später, wieso fragst du?»
    «Und wer hat die Haushaltsauflösung im alten Haus gemacht?»
    «Regina, die hat da wochenlang herumgewühlt. Die kann ja nichts wegschmeißen. Steht alles bei ihr in der Garage.»
    Ich schaue erst Arne, dann Cord an: «Ich glaube, wir müssen etwas mit eurer Schwester klären.»
     
    Wir verabschieden uns von Oma und fahren mit Cords Volvo-Geländewagen zu Reginas Backsteinhaus in der Rungholtstraße. Ihr nicht ganz perfektes Dinner liegt jetzt schon fünf Tage zurück. Besorgt schreiten wir zur Eingangstür hinauf und klingeln Sturm. Ich glaube, uns allen drei ist ähnlich mulmig zumute. Als Holger die Tür aufreißt, wirkt er sehr aufgeregt: «Wisst ihr, wo Regina steckt?»
    Wir schauen uns fragend an: «Nee, wieso?»
    Er lässt uns rein. Die Stiche im Flur vom alten Föhr sind abgehängt, die Tapeten sind teilweise abgekratzt, und auf dem
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher