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Oma ihr klein Häuschen

Oma ihr klein Häuschen

Titel: Oma ihr klein Häuschen
Autoren: Janne Mommsen
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ich zurück.
    «E U-Recht .»
    «Die verbieten Seebestattungen?»
    Er windet sich.
    «Nein, aber es gibt genaue Auflagen. Korrekt läuft das so: Der Verstorbene wird zuerst verbrannt, dann wird die Urne außerhalb der Dreimeilenzone beigesetzt, und zwar mit einem amtlich zugelassenen Fahrgastschiff. Bei uns auf Föhr ist das die
Rüm Haart
, die normalerweise Ausflugsfahrten auf die Halligen macht.»
    «Wie viele Leute passen da rauf?», frage ich.
    «Zweihundertfünfzig.»
    Ich bin entsetzt: «So ein Riesendampfer?»
    Maria wirft mir einen kurzen, intensiven Blick zu und schüttelt fast unmerklich den Kopf
    «Gibt es hier auf der Insel ein Krematorium?», will ich wissen.
    «Leider nein. Nur in Flensburg.»
    Ich schaue Maria unsicher an. «Wenn es nicht anders geht   …», sagt sie.
    «In Ordnung, ich unterschreibe, dass ich für die Kosten einstehe», schlage ich vor.
    Hansen reicht mir ein paar Formblätter.
    «Ich würde den Toten gerne sehen», bittet er.
    «Ja, klar», sagt Maria.
    «Wir würden gern übermorgen die Abschiedsfeier abhalten, ist das möglich?», frage ich.
    Das Wort «abhalten» benutze ich sonst nie. Ich weiß auch nicht, wo das jetzt herkommt.
    «Selbstverständlich.»
    «Wir hätten da noch ein paar konkrete Ideen für die Feier. Sie stehen hier auf diesem Zettel», sage ich.
    Hansen nickt nervös und kaut jetzt ganz offen in einem durch.
     
    Etwas später stehen Maria und ich im Hafen. Es ist bedeckt, und der Wind hat nachgelassen. Neben dem Haus der WD R-Reederei dümpelt die
Rüm Haart
am Kai. Ein Albtraum: Es ist tatsächlich das Ausflugsboot mit dem lachenden Seehund, der das rote Herz jagt!
    «Wir werden Johannes nicht vor einem lachenden Seehund dem Meer übergeben», schimpfe ich empört.
    «Ich regele das», verspricht Maria.
    «Und wie?»
    «Mach dir keine Sorgen», lächelt sie.
    Ich glaube, wir sind beide erleichtert, dass wir das Schlimmste erledigt haben, und steigen in ihren Mini.
     
    Maria parkt nicht vor ihrem Haus, sondern an dem riesigen Spielplatz am Anfang der Straße. Statt in ihre Wohnung gehen wir dorthin und setzen uns auf die Wippe. Bis auf eine Clique von drei Jugendlichen ist der Platz leer. Ein ungefähr fünfzehnjähriger Junge mit blasser Haut und weißer Blousonjacke sitzt auf seinem aufgebockten Mofa. Sein roter Helm schlenkert am Lenker. Vor ihm hocken zweijüngere Mädchen auf der Lehne einer Bank, ein dickes in einem rosa Herrenjackett und ein schlankes, das eine ausgewaschene Jeansjacke trägt. Alle drei rauchen und werfen uns einen kurzen prüfenden Blick zu, ob wir sie deswegen anmachen.
    Das ist in einer halben Sekunde entschieden. Entwarnung.
    Wir sitzen zu beiden Seiten der Wippe und kippeln ein wenig auf und ab. Plötzlich fängt es an zu regnen, obwohl direkt über uns gar keine Wolken zu sehen sind. Deswegen nehmen wir die ersten Tropfen auch nicht ernst. Doch innerhalb kürzester Zeit bildet sich über uns eine fette graue Wolke, und ein beständiger Regen setzt ein. Der Junge wirft das Mofa an, das schlanke Mädchen springt hintendrauf. Die Dicke muss nebenherlaufen.
     
    Ich klettere auf das Gerüst mit den Stahltauen, das um einen ungefähr zehn Meter hohen Pfahl gespannt ist. Maria klettert von der anderen Seite hoch.
    Als wir uns oben gegenüberstehen, küssen wir uns.
    Das geht so schnell und einvernehmlich, dass ich mir im nächsten Moment gar nicht sicher bin, ob es wirklich passiert ist. Doch dann berühren sich unsere Lippen erneut, und ich schiebe vorsichtig mit den Fingerspitzen Marias Haar zurück, während sie über meine Stirn streicht. Wir küssen uns heftiger und krallen uns gegenseitig die Finger in die Haare. Ich muss mit den Füßen sorgfältig die Balance halten, um nicht ein paar Meter in die Tiefe zu sausen. Der Regen wird heftiger, es prasselt aus allen Eimern, aber wir wollen nicht aufhören. Bald sind wir nass bis auf die Haut, und ich merke, wie mir langsam kalt wird, Maria auch, sie zittert schon.
    Ich spreche es kurz vor Maria aus: «Wollen wir für immer hierbleiben?»
    «Ja», sagt sie und löst sich von mir.
    Getrennt hinunterzuklettern fühlt sich in unserer Situation an wie eine Trennung auf Monate. Fast rutsche ich vom Seil ab, das jetzt extrem glitschig ist. Unten verbinden wir uns wieder und eilen engumschlungen zu Marias Einliegerwohnung. Auf dem Weg dorthin treffen wir ihre Vermieter, ein älteres Ehepaar, das unter einem riesigen schwarzen Schirm mit ratiopharm-Schriftzug im Regen spazieren geht, «Moin,
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