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Oma ihr klein Häuschen

Oma ihr klein Häuschen

Titel: Oma ihr klein Häuschen
Autoren: Janne Mommsen
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an.
    «Was für Idioten», murmelt sie.
    Irgendjemand hat mir vorhin erzählt, dass die Käufer der Reihenhäuser überwiegend Leute sind, die sich eineeigene Immobilie gar nicht leisten können. Die Verkäufer haben ihnen die Finanzierung so lange schöngerechnet, bis sie alles geglaubt und unterschrieben haben. Klar, dass die Provisionen als Erstes gezahlt werden, damit die Makler als Einzige sicher aus dem Deal herauskommen. Dieselben Halsabschneider werden in einem Jahr die ersten Zwangsversteigerungen einleiten und erneut kassieren.
    «Ich frage mich gerade, was für Tiere die geworden wären, wenn sie keine zwei Beine hätten», überlege ich.
    Sie schenkt mir ein offenes Lächeln, inklusive Grübchen im Mundwinkel.
    «Schwer zu sagen, was meinst du?»
    «Kellermaden.»
    Beim Lachen zeigt sie ihre wunderbar gleichmäßigen Zähne. «Diese ekligen Dinger, die Gott als Vogelfutter erschaffen hat?»
    Ich bestätige das mit einem seriösen Expertenblick: «Kein Rückgrat, dünner Panzer.»
    Eine einzelne, unglaublich widerliche Männerlache dringt zu uns durch.
    «Dafür sind sie aber sehr laut.»
    «Die Kellermaden mit den ekligen Stimmen haben die Biologen lange Zeit übersehen. Übrigens hält sich diese Unterart selbst für die Krone der Schöpfung.»
    «Na ja, sie sind eben sehr erfolgreich.»
    «Aber nur im Komposthaufen. Außerhalb gehen sie sofort ein.»
    Meine Sätze suchen sich selbst ihren Weg, ich brauche an keiner Stelle zu überlegen. Ihr scheint es genauso zu gehen. Sie sendet kleine Zeichen, wirft mir vorsichtig-abtastende Blicke zu – allein dass sie so nahe neben mir steht, ist außergewöhnlich bei Erstkontakt. Aber man kann sich niehundertprozentig sicher sein, langsam wird mir etwas flau im Magen.
    «Du magst keine Makler, was?», grinst sie.
    «Als zahlende Kellermaden? Immer!»
    Sie lächelt mich an. «Ich muss wieder rein. Hast du eine Karte?»
    Im Bruchteil einer Sekunde ziehe ich meine Visitenkarte aus der Brusttasche meines Smokings: «Bitte.»
    Sie lächelt erneut und schaut mir tief in die Augen. «Danke.»
    Und geht hinein. Ihr Blick war unmissverständlich, sie wird mich anrufen. Ich muss mich jetzt richtig zusammenreißen, um ihr nicht hüpfend zu folgen. Morgen wäre mein Einjähriges als Single gewesen. Und einen Tag vorher begegne ich einer Frau, die mir so vertraut ist, als würde ich sie schon ewig kennen.
    Ein Wunder.
    Und was für eine Frau! Dieses strahlende Lächeln, diese   … Mein Handy klingelt. Roland Beucker ist dran, mein Chef. Schnell unterdrücke ich meine Euphorie und senke künstlich die Stimme: «Moin, Roland, was gibt’s?»
    «Sag du’s mir, Sönke.»
    Er klingt gar nicht gut, neun Uhr morgens ist einfach nicht seine Zeit. Ich lasse meinen Gefühlen jetzt freien Lauf und singe fast: «Hier läuft alles bestens.»
    Plötzlich brüllt es durch den Hörer: «Hast du sie noch alle? Wir haben gerade eine unserer wichtigsten Kundinnen verloren, weil du so ein Idiot bist!»
    «Häh?»
    «Eben rief mich Katharina Gehling an, das ist die Chefin der Baufirma. Du hättest ihre Makler als Maden bezeichnet.»
    Das kann nicht wahr sein.
    «
Die
war die Chefin?»
    «Ja!», schreit mein Chef und fügt etwas leiser hinzu: «Du bist gefeuert – fristlos!»
    «Nun warte mal   …», stottere ich.
    Aber Roland will nicht warten: «Sie hat gesagt, dass sie sich so eine Beleidigung als gut zahlende Kundin nicht bieten lassen muss. Recht hat sie.»
    «Aber warum   …?»
    «Warum sie immer in diesen blöden Jeans herumläuft? Das ist ihr Markenzeichen, wie doof bist du eigentlich?»
    Klar, einer sympathischen, offenen Frau im Sozialarbeiter-Look vertrauen unbedarfte Kunden mehr als einer schicken Tussi mit Perlenkette.
    «Du bist verbrannt», erklärt mein Chef, «Gehling kennt all unsere wichtigen Partner in Hamburg, und
dich
will sie nicht wiedersehen. Tut mir leid, aber du hast es selbst vermasselt.»
    Die Bodennässe ist inzwischen durch meine Ledersohlen gekrochen und hat die Strümpfe erreicht. Bis eben habe ich mich für einen geschmeidigen, buffettauglichen Vollprofi gehalten. Jetzt habe ich nur noch nasse Füße und rote Ohren.

2.   Mutterschiff
    Zu Hause räume ich erst einmal wie ein Irrer meine Wohnung auf. Die Bücher haben auf dem Kühlschrank wirklich nichts verloren, sondern gehören zurück ins Bücherregal im Wohnzimmer. An der Garderobe hängen viel zu viele Jacken, die Hälfte davon wandert in den Schrank im Schlafzimmer. Ich werfe die Waschmaschine an,
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