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Olympos

Titel: Olympos
Autoren: Dan Simmons
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Truppenführer und Tausende von Soldaten in benommenem Schweigen zusahen.
    Menelaos war ein kampferprobter Veteran, obwohl er nicht zur ersten Garnitur der Helden vor Troja zählte, aber sein älterer Br u der galt als ungestümster Kämpfer aller Achäer – zumindest wä h rend der Wochen, in denen Achilles in seinem Zelt geschmollt hatte. Seine Lanzenwürfe trafen so gut wie immer ihr Ziel, sein Schwert schnitt selbst durch verstärkte feindliche Schilde wie eine Klinge durch Stoff, und er ließ nicht einmal den edelsten Feinden gegenüber Gnade walten, wenn sie um ihr Leben flehten. Ag a memnon war ebenso hoch gewachsen, muskulös und gottgleich wie der blonde Achilles, aber sein Körper trug die Kampfesnarben eines zusätzlichen Jahrzehnts, und an diesem Tag loderte eine dämonische Wut in seinen Augen, während Achilles gelassen a b wartete, einen beinahe gei s tesabwesenden Ausdruck in seinem jungenhaft-männlichen Gesicht.
    Achilles hatte beide Brüder entwaffnet wie kleine Kinder. Ag a memnons kraftvoll geworfene Lanze prallte von Achilles ’ Haut ab, als wäre der Sohn des Peleus und der Göttin Thetis von einem der unsichtbaren Energieschilde der Moravecs umgeben. Ag a memnons wild geschwungenes Schwert – ein so he f tiger Hieb, hatte Menelaos damals gedacht, dass er einen Steinblock gespa l ten hätte – zersplitterte an Achilles ’ wundersch ö nem Schild.
    Dann hatte Achilles sie alle beide entwaffnet, hatte ihre zusätzl i chen Lanzen sowie Menelaos ’ Schwert ins Meer geschle u dert, sie selbst in den festgestampften Sand geworfen und ihnen so müh e los, wie ein riesiger Adler Stoff von einem hilflosen Kadaver pic k te, die Rüstung vom Leib gerissen. Anschließend brach der schnelle Männertöter erst Menelaos ’ linken Arm – die angespannt zuschauenden Truppenführer und Soldaten, die sie im Kreis u m standen, schnappten beim Grünholzknacken des Knochens nach Luft – und dann mit einem scheinbar mühelosen Stoß mit der fl a chen Hand Agamemnons Nase, zertrümmerte dem König der Könige mit einem Tritt die Rippen und setzte dem stöhnenden Agamemnon die Sandale auf die Brust, während Menelaos äc h zend neben seinem Bruder lag.
    Erst dann hatte Achilles sein Schwert gezogen.
    »Ergebt euch und schwört mir eure Treue, dann werde ich euch mit dem Respekt behandeln, der den Atriden gebührt, und euch als gleichrangige Anführer und Verbündete im b e vorstehenden Krieg anerkennen«, sagte Achilles. »Doch wenn ihr auch nur eine Sekunde zögert, schicke ich eure Hundeseelen schneller in den Hades, als eure Freunde zwinkern können, und werfe eure Kad a ver den wartenden Geiern vor, sodass eure Körper keine letzte Ruhestätte mehr finden.«
    Der keuchende, stöhnende Agamemnon hatte beinahe die Galle ausgespien, die in ihm brodelte, aber er hatte sich Achilles erg e ben und ihm den Treueschwur geleistet. Gepeinigt von den mö r derischen Schmerzen eines übel zugerichteten Beins, seiner ebe n falls gebrochenen Rippen und des gebrochenen Arms, hatte Menelaos es ihm eine Sekunde später gleichgetan.
    Insgesamt fünfunddreißig Führer der Achäer hatten an jenem Tag beschlossen, sich Achilles zu widersetzen. Alle waren sie bi n nen einer Stunde besiegt worden. Die Tapfersten von ihnen wu r den enthauptet, als sie es ablehnten, sich zu ergeben, und ihre Le i chen wurden den Vögeln, Fischen und Hunden vorgeworfen, g e nau wie Achilles es angedroht hatte. Die verbliebenen achtun d zwanzig ergaben sich und gelobten, ihm zu dienen. Keiner der anderen großen achäischen Helden von Agame m nons Format – nicht Odysseus, nicht Diomedes, nicht Nestor, weder der große noch der kleine Ajax, auch Teukros nicht – hatte den fußschnellen Männertöter damals herausgefordert. Alle hatten an jenem Mo r gen – nachdem sie mehr darüber e r fahren hatten, wie Athene erst Patroklos ermordet und dann Hektors kleinen Sohn, Skamandrios, hingeschlachtet hatte – laut geschworen, den Gö t tern den Krieg zu erklären.
    Jetzt spürte Menelaos den Schmerz in seinem Arm – trotz der i n tensiven Fürsorge ihres berühmten Heilers, Asklepios, waren die gerichteten Knochen nicht richtig verheilt, und der Arm machte Menelaos an feuchten, kühlen Tagen wie diesem noch immer zu schaffen –, aber er widerstand dem Drang, die schmerzende Stelle zu reiben, während Paris ’ Totenbahre und Achilles langsam die Achäerdelegation passierten.
     
    Nun wird die mit einem Leichentuch verhüllte und mit Haarl o cken
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