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Oksa Pollock. Die Entschwundenen

Oksa Pollock. Die Entschwundenen

Titel: Oksa Pollock. Die Entschwundenen
Autoren: A Plichota
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nahm ihr die Statue aus der Hand und legte sie zurück aufs Bett.
    »Nimm doch ein paar Fotos mit«, schlug er ihr vor. »Das ist zwar genauso sentimental, aber viel platzsparender!«
    »Sei doch nicht immer so zynisch!«
    »Gib es auf, du kannst mich ja doch nicht beleidigen, Kleine Huldvolle. Beeil dich lieber … Hmm, auf dem da bist du wirklich süß!«, sagte er und betrachtete eines der Fotos, die sie gerade in eine Plastikhülle stopfte.
    Oksa knurrte leise und versuchte, ihm das Foto aus den Händen zu reißen. Im selben Moment sah sie Gus im Flur vorbeigehen, und ihr Herz krampfte sich zusammen.
    »Er wird schon darüber hinwegkommen«, sagte Tugdual, als könne er ihre Gedanken lesen.
    Seine Miene war ernst – doch er war so unwiderstehlich wie immer. Zutiefst verunsichert hörte Oksa auf, ihre Sachen auszusortieren. Sie machte ihre Tasche zu und sah Tugdual grimmig an, bevor sie ins Streng-vertrauliche-Atelier ging, wo die anderen sie erwarteten.
    Ein dumpfes Grollen entfuhr Pavels Kehle: Der Tintendrache wand sich, ehe er seine weiten Schwingen entfaltete. Während die Rette-sich-wer-kann auf den gezackten Kamm des Drachen kletterten, fielen riesige Regentropfen vom Himmel, über den die Scheinwerfer von Hubschraubern huschten.
    »Häng das an meine Seite!«, schrie Pavel Dragomira zu, die den Koffer mit der Boximinor trug, in dem die Geschöpfe und ihre Vorräte an Granuks, Tränken und Kräutern steckten.
    Dragomira gehorchte und schlang dem Drachen den Trageriemen des kostbaren Gepäckstücks um den Hals.
    »Jetzt oder nie, glaube ich!«, rief Brune mit einem Blick auf die verlassenen Straßen um den Platz.
    »So ist es noch besser!«, sagte Pavel und schnalzte mit den Krallen, so gut es ging.
    Sofort erloschen die fahlen Lichter der Straßenlampen und tauchten den Platz und die Umgebung in eine beklemmende Dunkelheit.
    »Es ist echt stark, wenn du das machst, Papa!«, rief Oksa ihrem Vater zu.
    Er drehte sich um, schaute sie an und rief mit rauer Stimme: »So, und jetzt haltet euch gut fest!«
    Begleitet von Pierre und Jeanne, die an seiner Seite vertikalierten, fing der Drache an, langsam und kraftvoll mit den Flügeln zu schlagen. Dann erhob er sich in die Lüfte. Die Rette-sich-wer-kann, die sich auf seinem Rücken drängten, sahen die Bäume und Dächer unter sich kleiner werden. Auch das Haus der Pollocks wurde immer kleiner und verschwand schließlich aus ihrem Blickfeld. Oksas Magen krampfte sich zusammen. Im anhaltend starken Regen flog der Drache bald über die St.-Proximus mit dem von Wasser bedeckten Schulhof hinweg, und Oksas Übelkeit verstärkte sich noch. Wie sehr ihr das alles fehlen würde … Es war schrecklich, auf diese Weise wegzugehen und völlig im Ungewissen darüber zu sein, ob sie je zurückkommen würden. Zum ersten Mal konnte sie sich vorstellen, was die Rette-sich-wer-kann empfunden haben mussten, als sie ihr Land verließen: eine entsetzliche Zerrissenheit.
    Der Drache stieg höher auf und erreichte die dunklen Wolkenmassen. Tugdual und Remineszens lösten sich nun ebenfalls von seinem Kamm, um zu vertikalieren. Es war eine beeindruckende Szene, wie aus einem Traum. Plötzlich drang aus dem gewaltigen Brustkorb des Drachen ein ohrenbetäubender Schrei. Pavel, der mehr als alle anderen unter diesem erneuten Abschied litt, brüllte seinen ganzen Schmerz heraus. Nach und nach versanken die Lichter und das Chaos der Stadt in der Dunkelheit.
    Eine Seite wurde umgeblättert, und das nächste Kapitel versprach, genauso wirr und chaotisch zu werden wie die stürmische Nacht, in die sich die Rette-sich-wer-kann hinauswagten.

 
    Danksagung
    M
öge der Dank, gespickt von Erkenntlichkeit, die Herzen allderer erfassen, die Oksa lieben und vom Glauben an ihr Schicksal erfüllt sind.
    Möge Estelle eine besondere Erwähnung akzeptieren, weil sie die Hymne der Rette-sich-wer-kann zum Geschenk gemacht hat.

Cendrine Wolf
wurde 1969 in Colmar im Elsass geboren. Sie absolvierte eine Sportlehrerausbildung und arbeitete einige Jahre mit Kindern, bevor sie Bibliothekarin in der Stadtbücherei von Straßburg wurde. Heute widmet sie sich als freie Autorin ganz ihrer Lieblingsbeschäftigung, dem Schreiben.
    Anne Plichota,
1968 im französischen Dijon geboren, studierte Chinesisch und Kulturwissenschaften und verbrachte einige Jahre in Asien, bevor auch sie Bibliothekarin an der Stadtbücherei von Straßburg wurde, wo sie heute noch arbeitet.

Die Oska-Pollock-Reihe
     
    »Oksa Pollock. Die
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