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Oksa Pollock. Der Treubrüchige

Oksa Pollock. Der Treubrüchige

Titel: Oksa Pollock. Der Treubrüchige
Autoren: A Plichota
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den Schultern, riss sie an sich und lächelte triumphierend.
    Oksa war überrascht, wie gefasst Zoé wirkte: Wie konnte sie nur so gelassen sein, wo sie doch in wenigen Minuten dieser schrecklichen Prozedur unterzogen werden sollte, die ihr ganzes Leben verändern würde? Zoé erwiderte Oksas Blick, in der Hand hielt sie den Talisman, den Oksa ihr auf der Insel der Treubrüchigen gegeben hatte. Oksa wusste nicht, wie sie sich verhalten sollte. Woher auch? Eine solch furchtbare Situation war mit nichts zu vergleichen, was sie je erlebt hatte. So ließ sie sich von ihrem Instinkt leiten und schenkte Zoé ein kleines, als Trost und Unterstützung gedachtes Lächeln. Dieses Mädchen würde einen lebendigen Teil von sich selbst opfern, um Oksa zu retten.
    »Nun denn«, fing Ocious an, »lasst uns keine weitere Zeit verlieren. Andreas, mein Sohn, danke, dass du so schnell reagiert und alles vorbereitet hast.«
    Orthon verzog verärgert das Gesicht und versuchte seine Reaktion zu kaschieren, indem er scheinbar interessiert die Höhle betrachtete. Auch die Rette-sich-wer-kann bestaunten das architektonische Wunderwerk aus Steinbögen und harmonisch eingefügten Nischen, verkleidet mit unschätzbar wertvollen Edelsteinmosaiken. Die hohe kuppelartige Decke bestand aus zahllosen Fliesen in durchsichtigem Blau, durchsetzt mit glitzernden Punkten, die an das Himmelsgewölbe erinnerten.
    »Ist das schön …«, murmelte Oksa unwillkürlich, so beeindruckt war sie von dem Anblick.
    Andreas wies mit der Hand in den hinteren Teil des ersten Raumes, wo ein Gang tiefer in die Höhle hineinführte.
    »Willkommen auf dem Boden der Handkräftigen und in der Höhle des Maßlosen Massivs, dem Stammsitz der Mauerwandler«, sagte er. »Ich führe euch zu unserem Gastgeber. Er erwartet uns schon voller Ungeduld.«
    Diese Bemerkung wirkte umso grausamer, als die Stimme von Andreas dazu in krassem Widerspruch stand. Sie hatte ein so schmeichelndes, liebliches Timbre, dass man sich ihr kaum entziehen konnte. Oksa überlief eine Gänsehaut. Wenn Orthon ein Raubvogel war, der sich mit Brutalität und Präzision geradewegs auf seine Beute stürzte, dann war Andreas eine Schlange, die ihre Beute hypnotisierte, bevor sie sie verschlang.
    »Ich … hasse diesen Mann«, flüsterte sie ihrem Vater zu. »Versprich mir, dass du mich nie mit ihm allein lässt.«
    »Versprochen«, sagte Pavel.
    Sie nahm seine Hand und drückte sie, während sie sich fragte, wer wohl stärker war, der Adler oder die Schlange. Wahrscheinlich waren beide gleich stark, jeder auf seine Art …
    »Bitte folgt mir«, sagte Andreas jetzt.
    Orthon drängte sich mit Zoé, die er nach wie vor eisern festhielt, entschlossen nach vorn, um als Erster den Gang zu betreten.
    »Du brauchst mich nicht festzuhalten wie eine Gefangene, die nur auf eine Fluchtmöglichkeit wartet«, sagte das Mädchen mit bewundernswerter Selbstsicherheit. »Ich bin aus freiem Willen hier, hast du das schon vergessen?«
    »Wenn du genauso gut im Entwischen bist wie meine Schwester Remineszens, ziehe ich es vor, auf Nummer sicher zu gehen«, konterte Orthon kühl.
    »Wenn man Sie zum Bruder hat, kann man gar nicht anders, als an Flucht zu denken!«, sagte Oksa wütend. »Oder vielleicht sollte ich sagen, wenn man zwei Brüder hat wie Sie und Andreas …«
    Pavel drückte so heftig ihre Hand, dass Oksa vor Schmerz das Gesicht verzog. Aber es tat so gut, diesem aufgeblasenen Wichtigtuer mal einen Dämpfer zu verpassen! Als sie den Blick sah, den Orthon ihr zuwarf – als ob er sie erdolchen wolle –, war ihr klar, dass sie ins Schwarze getroffen hatte. Sarkasmus war offenbar eine gute Waffe, um ihn aus dem Konzept zu bringen. Von jetzt an würde sie Orthon keine Ruhe mehr lassen und ihn mit seinem Halbbruder Andreas reizen, bis es Mord und Totschlag gab!
    »Hör auf, mit dem Feuer zu spielen, Oksa«, warnte Pavel sie leise.
    »Aber Papa!«
    »Das mag verlockend sein, aber es ist viel gefährlicher, als du denkst, glaub mir.«
    Oksas Miene verdüsterte sich. Verärgert widmete sie sich der Betrachtung ihrer Umgebung, die wirklich phantastisch war. Der Gang führte offenbar weit ins Innere des Maßlosen Massivs ­hinein. Von Zeit zu Zeit zweigten Nebengänge ab, die sich durch die Farbe der Steine, mit denen die Wände verkleidet waren, unterschieden – Rubinrot, Smaragdgrün, Topasblau –, während die Wände des Hauptgangs durchweg mit kleinen, intensiv funkelnden Steinen bedeckt waren, die einen
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