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Ohnmachtspiele

Ohnmachtspiele

Titel: Ohnmachtspiele
Autoren: G Haderer
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nichts anzuziehen hätte. Zum Schämen. Mittlerweile begann ihm auch sein Auftritt im Fabios am Gewissen zu kratzen. Egal. Er wischte sich den Mund ab, lehnte sich zurück und seufzte zufrieden auf. Köstlich war es, teilte er dem Kellner mit, als dieser den Teller abräumte. Dann erinnerte sich Schäfer, dass er auf die Serviette die Nummer des Mannes geschrieben hatte, der ihm die Überwachungsbänder besorgen konnte. Er sprang auf, eilte dem Kellner hinterher und griff sich den zusammengeknüllten Papierfetzen vor den überraschten Augen des Küchenpersonals. Den ersten Bezirk sollte ich in den nächsten Wochen meiden, sagte er sich, als er über die Freyung ins Kommissariat spazierte.
    „Haha!“, begrüßte er Bergmann, der unsicher von seiner Arbeit aufschaute.
    „Wie soll ich das verstehen?“
    „Hm“, machte Schäfer, „als Ausdruck meiner Freude, Sie hier eifrig am Werk zu sehen …“
    „So so … heißt das, dass Sie uns in Ihrem Urlaub mit täglichen Besuchen beglücken?“
    „Nicht so voreilig, Bergmann … noch leiste ich hier wertvolle Ermittlungsarbeit … und jetzt weghören, bitte … ich verlasse jetzt kurz den tugendhaften Pfad des Gesetzes“, sagte Schäfer und griff zum Telefon.
    „Darf ich fragen, um welche Überwachungsvideos es da geht?“, wollte Bergmann wissen, nachdem Schäfer sein Gespräch mit Beckmann beendet hatte und zufrieden vor sich hin summte.
    „Alles, was Sie nicht wissen, kann vor Gericht nicht gegen Sie verwendet werden, werter Bergmann … verwendet werden, werter Bergmann … das sind ganz schön viel E in einem Satz …“
    „Ich mache mir Sorgen um Ihre Gesundheit“, erwiderte Bergmann.
    „Daher auch meine Liebe zu Ihnen“, meinte Schäfer und ging zur Tür.
    „Bringen Sie Ihren Mantel zur Reinigung“, hörte er Bergmann noch rufen, dann hüpfte er schon die Treppen hinunter und machte sich auf den Weg zu seinem Treffen mit Beckmann.
    Die DVD mit den Überwachungsvideos wog schwer in Schäfers Manteltasche. Er war im Begriff, ohne Genehmigung der Staatsanwaltschaft Einblick ins Leben fremder Menschen zu nehmen. Das galt als Amtsmissbrauch. Und wenn sich der ewig wache Teufel diesmal nicht auf seine Seite schlug, konnte er das Video nicht als Beweis verwenden und würde stattdessen selbst vor Gericht landen. Du legst es wirklich darauf an, dass sie dich hinausschmeißen, sagte er sich, während er in einem türkischen Feinkostladen fürs Abendessen einkaufte. Und mit so einer Akte wirst du höchstens in einem Flüchtlingslager als Kindergärtner genommen. Schluss jetzt, mahnte er sich. Erst einmal schauen, was auf dem Video überhaupt drauf ist. Dann dem Mann einen Besuch abstatten – ich war zufällig in der Gegend, da habe ich mir gedacht und so – und ihn damit gehörig verunsichern. Oder im besten Fall sofort ein Geständnis bekommen. Er reichte dem Ladenbesitzer das Geld über den Tresen, verabschiedete sich auf Türkisch und betrat zehn Minuten später seine Wohnung. Den Mantel warf er im Vorraum auf den Boden, um ihn nicht noch einmal versehentlich anzuziehen, dann ging er in die Küche und richtete sich eine kalte Platte. Mit dem Laptop neben dem Teller schob er sich gefüllte Weinblätter, Oliven, Schafkäse, Fischpastete und Weißbrot in den Mund und schaute sich gleichzeitig das Überwachungsvideo an. Nach einer Viertelstunde stand er auf, holte sein Handy und rief Bergmann an.
    „Ja, ich bin’s … Zu Hause, wo sonst? … Sie kennen sich doch mit diesen Filmprogrammen aus … Was weiß ich, was es da gibt … VLC, QuickTime … Ich möchte eine höhere Geschwindigkeit einstellen, sonst sitze ich da drei Stunden … Moment … Ja, habe ich … Ah, da galoppieren die Rösser … Nein, das war alles … Seien Sie nicht so ungeduldig, ich erzähle es Ihnen schon noch … Danke, Bergmann, bis morgen.“
    Mit dem Laptop am Schoß und dem Aschenbecher in Reichweite saß er auf der Couch und starrte auf den Bildschirm, wo Passanten vorbeieilten, Hunde an Laternen pissten und alle paar Minuten ein Bus vorbeikam. Er war schon kurz davor einzuschlafen, als ihm eine Bildsequenz wie ein Stromstoß von der Netzhaut ins Großhirn fuhr. Da war er. Schäfer drückte die Pausetaste, ließ den Film ein paar Sekunden zurücklaufen und schaute ihn noch einmal in Zeitlupe an. Kein Zweifel, das war er. Schäfer setzte sich auf und stellte den Laptop auf den Couchtisch. Was jetzt? Er konnte sich keinen Haftbefehl beschaffen; nicht einmal Isabelle würde ihn dabei
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