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Ohnmachtspiele

Ohnmachtspiele

Titel: Ohnmachtspiele
Autoren: G Haderer
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damals so verloren gewirkt haben, so hilflos …“
    „Und deshalb haben Sie mich belogen“, unterbrach Schäfer ihn, „Ihr ganzes Gelaber über die Donau und den Friedhof, über diese Zeremonie … Blendwerk … ganz schön raffiniert, das muss ich Ihnen lassen.“
    „Ich glaube, Sie überschätzen mich“, entgegnete Albrecht leise, stellte die Teekanne auf den Tisch und setzte sich. Ein paar Minuten saßen sie sich gegenüber und schwiegen sich an. Der hellgoldene Tee dampfte in ihren Tassen, begleitet vom Ticken der altertümlichen Wanduhr.
    „Nichts davon war geplant“, meinte Albrecht schließlich nach einem Räuspern.
    „Ich weiß“, erwiderte Schäfer, den die Situation mehr und mehr zu bedrücken begann.
    „Und dennoch haben Sie mir schon damals im Auto gesagt, warum ich es getan habe …“
    Schäfer sah ihn fragend an und versuchte sich die Szene in Erinnerung zu rufen.
    „Sie haben gesagt, dass einen der Tod ans Leben erinnert …“
    „Manchmal erinnert er einen auch nur an den Tod“, antwortete Schäfer mürrisch, dem die Intimität zwischen ihnen unangenehm wurde. Aufstehen, abführen, einsperren, das sollte er tun.
    „Ich habe sie da stehen gesehen … am Ufer … ich bin zu ihr hin, um ein paar Worte zu wechseln … vielleicht ist sie ja in einer ähnlichen Verfassung wie ich, habe ich mir gedacht … dann hat sie sich gebückt, ist ausgerutscht und ins Wasser gefallen …“
    Schäfer sah von seiner Tasse auf.
    „Sie haben sie nicht gestoßen?“
    „Nein … wo denken Sie hin“, erwiderte Albrecht fast entrüstet. „Entschuldigen Sie bitte … das war … ich bin hingelaufen, hab mich ans Ufer gekniet und wollte ihr aus dem Wasser helfen … dann ist es … irgendwie … über mich gekommen …“
    „Sie sind ihr auf die Hände getreten und haben sie dann unter Wasser gedrückt, bis sie tot war“, ergänzte Schäfer.
    „Ja.“
    „Warum?“
    „Ich … da war so eine Kraft da … ich wurde so lebendig … je länger ich sie ansah, wie sie … umso stärker wurde ich … lebendiger …“
    „Und warum rufen Sie dann die Polizei an?“, wollte Schäfer wissen, „wir hätten Sie nie gekriegt.“
    „Ich habe sie doch nicht einfach im Wasser liegen lassen können“, meinte Albrecht und begann heftig zu weinen, „das kann man doch nicht machen.“
    „Gehen wir“, sagte Schäfer und stand auf.
    „Ja.“ Albrecht nahm seinen Mantel vom Haken, sah sich um, drückte den Lichtschalter und ging in den Verkaufsraum. „Haben Sie keine Handschellen?“
    „Doch“, erwiderte Schäfer, „aber ich denke nicht, dass Sie mir davonlaufen wollen …“
    „Ich bin ein Verbrecher und möchte auch so behandelt werden“, sagte Albrecht bestimmt, worauf Schäfer die Handschellen aus der Jacke nahm und sie dem Mann anlegte.
    Ein seltsames Bild gaben sie ab, wie sie in der U-Bahn nebeneinandersaßen, wie zwei alte Bekannte auf dem Weg zu einem Schachturnier. Nur die Handschellen irritierten und zogen die Blicke der Passagiere auf sie. „Ist das ein böser Mann?“, fragte ein kleiner Junge seine Mutter, die ihn hochhob und sich in den nächsten Waggon entfernte.
    „Wie sind Sie überhaupt draufgekommen?“, fragte Albrecht, als sie am Westbahnhof umstiegen.
    „Details“, meinte Schäfer, „unser Gespräch ist mir wieder eingefallen … Ihre Faszination für den Tod, Ihre Aussage, dass Sie die Verzweiflung mit dem Grauen bezwingen wollten … vor allem Ihre akribischen Beschreibungen: wie viele Leichen da angespült worden sind, in welchem Jahr der Friedhof errichtet worden ist … das Einzige, was nicht dazu gepasst hat, war dieses Detail … als Sie mir erzählt haben, wie Sie Sonja Ziermann gefunden haben … irgendwas haben Sie da gesagt von einer grünen Folie, unter der ihr Gesicht Sie angeschaut hätte … allerdings war es zu der von Ihnen angegebenen Zeit schon fast dunkel … das hat nicht gepasst … da ist das Wasser schon schwarz … da müssen Sie schon genau hinschauen, dass Sie überhaupt etwas unter der Oberfläche erkennen … dann habe ich mir ein paar Überwachungsvideos besorgt und gesehen, wie Sie kurz nach eins am Enkplatz in den Achtundsiebziger steigen …“
    Albrecht blieb stehen und sah Schäfer überrascht und bewundernd an.
    „Sie wären ein guter Schriftsteller … so feinsinnig und…“
    „Ja ja, schon gut“, erwiderte Schäfer, nahm Albrecht am Arm und schob ihn durch den Eingang ins Kriminalamt.
    Bruckner war nicht an seinem Platz, also brachte Schäfer
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